Ausgerechnet "Polylux"?
Wie die meisten Leser dieses Blogs mindestens durch den Reklamebalken an der rechten Seite wissen, beschäftigt sich eines meiner Bücher mit Männern und Frauen, die sich schon seit einiger Zeit im Erwachsenenalter befinden, aber noch immer keine Erfahrungen mit Sexualität, Zärtlichkeit und Partnerschaft machen konnten. (Näheres zu dieser Gruppe und ihrem Empfinden erfährt man hier und hier.) Vorige Woche erreichte mich eine Anfrage des ARD-Magazins ”Polylux”, das darüber einen Beitrag bringen möchte und mich als „quasi die Ansprechperson Nummer 1 zu diesem Thema“ gebeten hat, beim Herstellen von Kontakten zu Betroffenen zu helfen.
Während ich mir eine größere öffentliche Wahrnehmung für diese Gruppe, ihre Probleme und Bedürfnisse sehr wünsche, war ich nicht gerade hellauf begeistert darüber, dass eine solche Anfrage gerade von „Polylux“ kam und meldete das auch entsprechend an die Produktionsfirma zurück. Im Frühjahr 2002 nämlich war ich schon einmal als Männerrechtler zum Thema häusliche Gewalt gegen Männer bei „Polylux“ gewesen, und da beide Themen (Männerrechte und häusliche Gewalt) damals noch extrem neu in den Medien war, schien der zuständige Redakteur keinen besseren Einfall gehabt zu haben, als daraus einen satirischen Beitrag zu stricken. Meinen Unmut darüber meldete ich in einer ausführlichen Mail an „Polylux“ zurück. (Ein Auszug: „Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass Sie einen vergleichbaren Beitrag über weibliche Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt fabriziert hätten, die dadurch oft in vergleichbarer Weise traumatisiert wurden. Aber damals entsprach es dem Zeitgeist, Männer, auch männliche Opfer, zu verhöhnen. (...) Zielscheibe der Satire hätten die sexistischen MachthaberInnen gewesen sein müssen, die eine Hälfte der Opfer ignorieren. (...) Sie werden verstehen, dass ich unter diesen Umständen große Bedenken habe, gerade Menschen ohne Beziehungserfahrung einen Auftritt bei Polylux zu empfehlen. Die Gefahr, dass sie in ähnlicher Weise vorgeführt oder lächerlich gemacht werden, erscheint mir doch recht groß. (...) Für eine Beschäftigung mit diesem Thema bräuchte es vor allem Einfühlsamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Fingerspitzengefühl. (...) Es bedürfte schon einiger sehr intensiver Gespräche, bevor ich mich davon überzeugen ließe, dass ausgerechnet das Thema "unberührter" Männer und Frauen bei Ihnen in guten Händen wäre.“)
Diese Gespräche, teils per Mail und teils per Telefon, haben inzwischen stattgefunden und konnten meine anfänglichen Bedenken weitgehend zerstreuen. Claudia Bäckmann, die „Polylux“-Mitarbeiterin, die mit mir Kontakt aufgenommen hatte, bedauerte die Form des damaligen Beitrags und teilte mir mit, dass der verantwortliche Redakteur nicht mehr für das „Polylux“-Team zuständig sei. Der aktuell geplante Beitrag werde von ihr selbst in die Hand genommen und sei nicht als Satire, sondern als ernsthafte Reportage angelegt. Als Referenz für ihren verantwortungsbewussten Umgang mit solchen Themen schickte sie mir eine DVD mit einem „Polylux“-Beitrag zu, den sie Anfang des Jahres über die Gruppe der Asexuellen produziert hatte. Bei diesem Beitrag gibt es in der Tat nichts zu beanstanden. Die Betroffenen wurden sympathisch und nachvollziehbar präsentiert, und ich hatte den Eindruck, dass sie die Aspekte benennen konnten, die ihnen wichtig waren. Darüber hinaus hatte ich mir am 30. Oktober im „Polylux“-Ableger „Monolux“ einen Beitrag Claudia Bäckmanns zum Thema „Jungenkrise“ angeschaut, der absolut in Ordnung war. An beiden Beiträgen, die Schwerpunktthemen meiner Arbeit betrafen (sexuelle Minderheiten und Probleme des männlichen Geschlechts), finde ich keinerlei Kritikpunkt.
Meiner Beobachtung nach (die ich Claudia Bäckmann auch mitgeteilt habe) reagieren viele Menschen ohne Beziehungserfahrung auf Anfragen von Medienseite generell so zurückhaltend, wie es mir speziell mit „Polylux“ gegangen ist. Mehr als einmal habe ich erlebt, dass Journalisten, welche die entsprechenden Internetforen aufsuchten, mit einer Welle aggressiven Misstrauens begrüßt wurden. Auch mir selbst ging es anfänglich kaum anders. Manche der Betroffenen scheinen die Meinung zu vertreten: „Es ist allerhöchste Zeit, dass in den Medien endlich offen über dieses Thema gesprochen wird, aber fragt um Gottes willen bloß nicht mich, wenn es darum geht, den Anfang zu machen!“ Es steht mir nicht zu, solche Haltungen in Frage zu stellen, das muss bei diesem heiklen und persönlichen Thema jeder so entscheiden, wie er es für sich als richtig empfindet. Ich allerdings möchte die Suche Claudia Bäckmanns nach Interviewpartnern unterstützen, weshalb ich ihre Mail hier veröffentlicht habe.
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