7. Juli 2005
Gute Nachrichten für alle Journalisten des Landes, für die Pressefreiheit noch ein wichtiger Wert darstellt: Die Verfassungsbeschwerde, die die erzkonservative Wochenzeitung “Junge Freiheit” gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens sowie gegen ihre Einstufung als „rechtsextrem“ eingelegt hatte, war nach langem Kampf erfolgreich. Die „Junge Freiheit“ selbst schrieb dazu in der Ausgabe der vergangenen Woche: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bedeutet einen riesigen Triumph nicht nur für die JUNGE FREIHEIT, sondern für die Pressefreiheit insgesamt in Deutschland. Die Machtarroganz des NRW-Verfassungsschutzes, der als verfassungswidriges Kampfinstrument der 39 Jahre lang regierenden SPD mißbraucht worden ist, stellt nur die Spitze des Eisberges einer die demokratische freiheitliche Gesellschaft in unverschämter und unerträglicher Weise domestizierende Political Correctness dar. Karlsruhe hat hier einen bitter notwendigen Warnschuß abgegeben.“
Auch andere führende Zeitungen kommentierten diese Wendung. (Wegen des Zitatrechts können hier nur Passagen im Sinne einer vergleichenden Presseschau wiedergegeben werden; für den vollständigen Artikel bitte den Link anklicken. Häufig sind die Beiträge in Gänze lesenswert.)
So befand die “Neue Zürcher Zeitung”: „Die nordrhein-westfälische Praxis des Verfassungsschutzes im Kampf gegen angebliche intellektuelle Vordenker einer `Neuen Rechten´ war juristisch und politisch immer umstritten. Kritiker haben der am 22. Mai abgewählten rot-grünen Landesregierung vorgeworfen, ausgerechnet auf dem besonders sensiblen Feld der Pressefreiheit die Grenzen von Politik und Recht, von Parteiinteresse und Amtspflichten bewusst verwischt zu haben.“
Die FAZ meint dazu: „Verfassungsschutzberichte gelten gemeinhin als seriöse Quellen. Ihre Inhalte werden oft zitiert, als handele es sich um letzte Wahrheiten. (...) Daß aber sogar das Oberverwaltungsgericht des Landes meint, das Grundrecht der Pressefreiheit sei gar nicht berührt, wenn eine Zeitung unter der Überschrift `Rechtsextremismus´ geführt wird, sagt nichts Gutes über die Rechtskultur. Vor gut zehn Jahren, als die jetzt beanstandeten Berichte erschienen, wurde ein Brandanschlag auf die Druckerei der `Jungen Freiheit´ verübt - und weitgehend beschwiegen. Das sagt auch etwas über die Pressefreiheit, an die das Bundesverfassungsgericht nun wieder erinnert hat.“
Die Berliner taz kommentiert: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Aufnahme der Wochenzeitung in den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht ist eindeutig - und richtig. Das Label `rechtsextrem´ für das extrem rechte Blatt hat ausgedient. Man braucht es auch nicht: Von der `Rechtspostille´ über das `Organ der Neuen Rechten´ bis zur `rechtskonservativen Zeitschrift´ gibt es genügend Umschreibungen für die Junge Freiheit. Doch wer hier bloß etikettiert, macht es sich ohnehin zu leicht: Ein markiges Label ersetzt nun einmal nicht die inhaltliche Auseinandersetzung.“
Die „Frankfurter Rundschau“ urteilt: „Es ist vielleicht kein großer, wohl aber ein nicht unbedeutender Tag für die Republik. Denn die Verfassungsrichter verlangen Demokraten etwas ab und warnen vor vorschnellen Etikettierungen. Sie bestehen darauf, nicht leichtfertig mit der Einschätzung umzugehen, etwas sei rechtsextrem. (...) Der genaue Blick in diese Zeitung macht deutlich: Es ist eine rechtspopulistische Gazette mit Hang zum Rechtskonservativen, Grenzüberschreitungen nicht ausgeschlossen. Diese Unterscheidung zwischen den Begriffen entfaltet ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Klientel der Zeitung. Dahinter steckt kein kahl rasierter Nacken. Sie zielt auf gut ausgebildete, mittelständisch orientierte Menschen zwischen 30 und 45, denen zu Rechtsextremen eher `Bäh´ einfällt, die aber mit dem etablierten Parteiensystem nicht einverstanden sind, weil sich nichts bewege.“
Vieles auf den Punkt bringt schließlich die Online-Zeitung RBI-Aktuell: „Was blieb, war die Wut einer durchgeknallten Ultralinken sowie eines Teiles des Establishments, für die eine aggressiv verteidigte politische Correctness die letzte verbliebene Rückzugslinie ihrer einst sehr viel weiter reichenden linken Bestrebungen war. Damit ist jetzt Schluß und es dürfte letztlich auch für die Linke ein Gewinn sein, wenn sie wieder gezwungen wird, rational über bestimmte Probleme nachzudenken und auch so die Auseinandersetzung zu suchen. Doch dieser Erkenntnisprozeß dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen , denn der Zusammenbruch aller linken Alternativmodelle seit Beginn der 80er Jahre hat den immer schmaler werdenden Rest der radikalen Linken zu einem bizarren Resthaufen degenerieren lassen, der sich mit großer Begeisterung gegenseitig zerfleischt und nahezu die gesamte `Normalgesellschaft´ für mehr oder weniger faschistisch, antisemitisch, völkisch oder patriarchalisch hält. Dabei war längst klar, daß die JF weder ein`Naziblatt´ noch sonstwie faschistisch war. Ideologisch verkörperte sie eher den Gegenpol zu 1968, eine Art Kulturkonterevolution, wenn man die 68er wirklich als Revolutionäre ansehen will.“
Bezeichnend ist mal wieder, wie viele Journalisten NACH dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts plötzlich Fans der Pressefreiheit und Gegner eines politisch festgelegten Index verbotener Schriften sind, während VOR diesem Urteil die Berichterstattung über die „Junge Freiheit“ grundsätzlich mit der Bemerkung verbunden war, dieses Blatt werde vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens als „rechtsextrem“ beobachtet: praktisch eine durchgehende Mediendiffamierung im Sinne von Rot-Grün. Und jetzt scheint es wie nach dem Fall der DDR: Auf einmal waren sie alle eigentlich schon immer mindestens im inneren Widerstand … Daran dass Meinungsfreiheit auch und gerade für die Meinung des Andersdenkenden gilt, musste erst wieder erinnert werden. Insofern freue auch ich als linksliberaler Journalist, der ich mich etlichen Artikeln in der JF inhaltlich in keinster Weise anschließen kann, über dieses Urteil sehr.
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