Während ich vor zweieinhalb Jahren den Libanonkrieg in diesem Blog sehr israelkritisch begleitet habe, möchte ich mich beim aktuellen Konflikt in Gaza lieber zurückhalten. Ein Grund dafür ist, dass mir wegen wichtiger beruflicher und politischer Projekte momentan schlicht die Zeit fehlt, mich so intensiv damit auseinanderzusetzen, wie es nötig wäre, um auch nur halbwegs einen Überblick über die Hintergründe zu bekommen. Zwar versorgen mich manche Leserinnen fürsorglich mit durchaus überzeugenden Appellen gegen das derzeitige Vorgehen Israels. Und natürlich lassen auch mich die Bilder aus dem Kriegsgebiet alles andere als kalt. Trotzdem sind das nicht mehr als Bruchstücke, und ich äußere mich ungern zu einem hochkomplexen Thema, bei dem ich mich nicht mit den Argumenten beider Seiten intensiv beschäftigt habe. Mal ganz abgesehen davon, dass es eine unfassbare Hybris wäre zu glauben, dass das, was ich hier blogge, auch nur irgendeinen Einfluss auf den Ablauf des Nahost-Konflikts hätte.
Vielleicht sollte man sich stattdessen einmal mit den überbordenden Aggressionen im eigenen Land (und seinen europäischen Nachbarn) beschäftigen. Und da gibt es wahrlich genug zu tun. Ich habe mich bekanntlich schon etliche Male deutlich dagegen ausgesprochen, jegliche scharfe Kritik am Handeln der israelischen Regierung oder seinem Militär mit dem Label "Antisemitismus" zu behaften, um damit die Kritiker mundtot zu machen. Was aber im Augenblick mancherorts geschieht, das hat mit legitimer Israelkritik überhaupt nichts mehr zu tun. Stattdessen scheint der Krieg um Gaza zumindest bei einigen Leuten mühevoll zurückgehaltene Aggressionen gegen "die Juden" ausbrechen zu lassen, die ich in diesem Ausmaß im Jahre 2009 für kaum möglich gehalten hätte. Auch das ist unerträglich.
Einige Links hierzu:
Terror in EuropaShylockRotes Tuch, blauer SternMan könnte einwenden, dass zumindest manche dieser Extremreaktionen durch die extreme Ohnmacht ausgelöst werden, die man beim Anblick der Bilder aus Gaza empfindet. Ich muss allerdings sagen, mir fehlt für DIESE Art der Reaktion jedes Verständnis. Können wir uns vielleicht darauf einigen, dass beispielsweise "Tod, Tod, Israel!" ein wirklich beschissenes Argument ist, wenn man sich für die globalen Menschenrechte einsetzen möchte – von "Vergast die Juden!" ganz zu schweigen? Warum glauben eigentlich immer mehr Leute, dass man ein wirklich schwieriges Problem am besten lösen kann, indem man zu wirklich dumpfen Parolen greift? Ist es überhaupt glaubhaft, dass solche Unsäglichkeiten allein eine Folge der israelischen Politik darstellen? Vielleicht bin ich allzu pessimistisch, aber ähnlich wie beim Problem der Islamophobie befürchte ich schon, dass solche antisemitischen Übergriffe nur der Auftakt zu noch übleren Aggressionen sein könnten.