noch 15. Januar
Heute Mittag bot uns der ARD-„Presseclub“ den Wortwechsel des Tages. Beteiligt waren der iranische Publizist Navid Kermani und Josef Joffe, Mitherausgeber und bis 2004 Chefredakteur der „Zeit“.
Kermani merkt an, dass ihm die Heiligsprechung Sharons in den letzten Wochen ein wenig befremde, wenn man bedenke, dass dieser immerhin für mehrere Massaker an Palästinensern verantwortlich gewesen sei. Als Beispiele nennt er Djenin, Sabra und Shatila. Joffe unterbricht seinen Kollegen, um zu bestreiten, dass es in Djenin ein „Massaker“ gegeben habe.
Kermani: Gut, aber zumindest Sabra und Schatila sind jedenfalls auch von Israel dokumentierte …
Joffe (unterbricht erneut, maßregelnd): Ja, gut. Das war vor 25 Jahren!
Kermani: Na gut, aber immerhin gehört es zu …
Joffe: Was haben Sie vor 25 Jahren gemacht?
Kermani: Vor 25 Jahren ging ich ins Gymnasium.
Joffe: (fröhlich) Na sehen Sie. Und haben Sie da ein bisschen geschummelt?
(Lachen anderer Gesprächsteilnehmer)
So einfach ist das heutzutage. Keiner von uns ist ohne Schuld, unterstelltes Schummeln in der Schule und das Begehen eines Massakers ist praktisch ein- und dasselbe, und nach 25 Jahren heißt es sowieso: Schwamm drüber, kann doch jedem mal passieren! Zumindest wenn es Israel betrifft. Man möchte Joffe nicht hören, wenn mit von Deutschen begangenen Massakern ähnlich wegwerfend umgegangen würde. Bewundernswert ist allerdings die unbekümmerte Chuzpe, mit der es Joffe hier gelang, den Spieß rhetorisch einfach umzudrehen. Ob er genauso frohgemut einer palästinensischen Mutter, deren Sohn damals ermordet wurde, erklärt hätte, dass das doch alles Schnee von gestern sei, wage ich allerdings zu bezweifeln. Sicher kann ich mir nach allem, was ich so erlebe, aber auch hier nicht mehr sein.
ARD-Presseclub. „Die Zeit“. Der Umgang der deutschen Medien mit den Greueltaten in Israel ist einfach nur widerwärtig.
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