noch 17. März
Auch der hessische Fragebogen zur Einbürgerung von Menschen, die anständige Deutsche werden wollen, wäre wohl in der Lage, selbst den meisten naturreinen Deutschen ihre Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen. Entweder, so zeigt sich bei Straßenumfragen, die Leute kommen bei dem Quizteil ins Schleudern und kriegen keine drei deutschen Philosophen auf die Reihe bzw. verwechseln beim Sitz des Europaparlamentes Straßburg und Brüssel (hier hätte der 50:50-Joker geholfen) oder sie haben für unseren Staat einfach die falsche Gesinnung. In diese Richtung geht auch der Artikel, aus dem der folgende Auszug stammt und der leider nicht online steht. Er stammt aus der heutigen FAZ, Seite 33, und wurde verfasst von Patrick Bahners:
--- (...) Im historischen Prüfungsteil wird Ereignisgeschichte abgefragt: Daten, Namen, Begriffe. Eine Frage von zweiundzwanzig fällt heraus. Auf Nr.15 "Erläutern Sie den Begriff ,Holocaust'!" und Nr.16 "Wenn jemand den Holocaust als Mythos oder Märchen bezeichnet: Was sagen Sie dazu?" folgt Frage 17: "Erläutern Sie den Begriff ,Existenzrecht' Israels!" Die Gegenfrage, ob denn die Gründung des Staates Israel ein Ereignis der deutschen Geschichte sei, wird wohl kein Bewerber zu stellen wagen. Der Prüfer könnte per Analogie den Satz von John Stuart Mill zitieren, die Schlacht von Marathon sei ein wichtigeres Ereignis der englischen Geschichte als die Schlacht bei Hastings. Aber das Existenzrecht eines Staates ist etwas anderes als eine Schlacht, keine Tatsache, sondern eine Norm. Das Für und Wider dieser Norm ist kein Problem der historischen Erkenntnis: Wenn den Palästinensern die Anerkennung des Existenzrechts Israels abverlangt wird, heißt das nicht, daß sie endlich die Lektion der deutschen Geschichte lernen sollen.
Die Frage, warum die Fortexistenz Israels ein moralisches Interesse Deutschlands ist, hat ihren Ort im außenpolitischen Teil. Bliebe die Linienführung der Fragen 16 bis 18 so stehen, die Suggestion, das Existenzrecht Israels folge als eine Art von historischer Tatsache aus der Zurückweisung der Lüge vom Holocaust-Mythos, dann könnte der eine oder andere Bewerber um das Bürgerrecht des demokratischsten Staates, den es auf deutschem Boden je gab, spätestens bei Frage 88 ins Grübeln kommen: "Erläutern Sie den Begriff ,Meinungs- und Pressefreiheit'!"
Der amerikanische Rechtsphilosoph Ronald Dworkin hat unlängst in einem Kommentar zum Karikaturenstreit die Meinung geäußert, das Verbot der Holocaust-Leugnung sei mit der Meinungsfreiheit als demokratischem Urprinzip nicht vereinbar. Professor Dworkin ist nach hessischem Hochschulrecht über das berufungsfähige Alter hinaus. Aber man male sich aus, er würde einem Ruf nach Frankfurt folgen wollen, in den Wirkungskreis seines Bewunderers Habermas: Dürfte in Hessen Deutscher werden, wer auf Frage 16 der Landesregierung antworten müßte, es seien fast nur unverbesserliche Antisemiten, die den Holocaust als Märchen bezeichneten, aber sie sollten das Recht haben, diese Meinung auch in Deutschland zu äußern? ---
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