Freitag, März 10, 2006

noch 10. März

Man muss den Leuten ja immerhin dankbar sein, dass sie so deutlich zeigen, was in ihnen vorgeht ...

Eine hübsche Illustration über das Naturell der Springer-Presse und ihrer Leser gibt es heute zum Beispiel hier. Es geht diesmal nicht um Araber oder Muslime, aber die Leichtigkeit, mit der manche Deppen rhetorisch aufzuhetzen sind, einfach indem man Wesentliches gezielt verschweigt, ist doch immer wieder erschreckend.

Währenddessen verteidigt Henryk Broder noch immer wacker die Folterknechte im amerikanischen Guantanamo. Wer diese Zustände kritisiere, beispielsweise dass viele der Gefolterten „amnesty international“ zufolge unschuldig seien, mache sich nämlich durch selbstgerechtes „Betroffenheitsgedusel“ lächerlich. Je mehr ich von all diesem Erbrochenen lese, desto mehr gelange ich zu dem Eindruck, wenn einige Leute so könnten, wie sie wollten, dann würden sie unsere Welt gründlich verändern: zu einem einzigen riesigen Moslem-KZ. Und wie immer, wenn man solche Lager einrichtet, macht man sich selbst natürlich vor, dies nur zu tun, weil man sich vor den größten Bedrohungen schützen müsse ...

Eines der Schicksale, die bei der „Achse des Guten“ offenbar wechselweise zu Gähnkrämpfen und zu Heiterkeitsausbrüchen führen, ist das des 23jährigen Murat Kurnaz aus Bremen, der seit vier Jahren ohne Anklage und fast ohne Kontakt zur Außenwelt in US-Gefangenschaft Misshandlung und Folter ausgesetzt ist. Deutsche Ermittlungsbeamte finden keinen Hinweis, dass Murnaz an illegalen Aktivitäten beteiligt war. Ähnlich sieht es die US-Bundesrichterin Green, der zufolge seine Inhaftierung die Genfer Konvention und die US-Verfassung verletzen – eine Schlussfolgerung, die allerdings nicht zu Murnaz Freilassung führte. Jetzt will sich Angela Merkel für den jungen Mann einsetzen. Aber selbst wenn er freikommt, dürften seine Seele und sein Leben von vier Jahren Folter deutlich geprägt worden sein. Wie man solche Zustände 60 Jahre nach dem Holocaust mit enormer rhetorischer Energie im locker-flockigen ironischen Plauderton verteidigen kann, bleibt mir unbegreiflich. Beschreiben kann man es nur noch mit einem Wort: widerwärtig.