2. August 2006
Ich klau mal ein bisschen bei Anis Hamadehs „Medienschau Nahost“ - wer weiß, ob ihr alle seine Website wirklich so brav aufsucht, wie ich es euch seit längerem empfehle. ;-)
Ganz oben steht ein Spitzenartikel Jürgen Elsässers, der sich diesem ganzen Sumpf zwischen Antideutschen und Neokonservativen ausführlich widmet. Dabei kommen glasklare Erkenntnisse zutage: „Der große Karrierevorteil der Antideutschen ist, daß nur sie so kaltschnäuzig Auschwitz instrumentalisieren können wie die in Washington tonangebenden Neocons.“ Und: „Was bei den Neocons und ihren deutschen Ablegern erschreckt, ist die Kälte, mit der sie den Massenmord kalkulieren und beklatschen, und die konsequente Mißachtung des Völkerrechts, um ihre Vorstellung von einem `neuen´ Nahen Osten oder einer besseren Welt durchzusetzen. Es gibt in der heutigen westlichen Gesellschaft keine andere Strömung, die mit so viel Menschenverachtung das Töten in Afghanistan, im Irak, im Libanon begrüßt und mit ihren Mitteln zu befördern sucht wie diese.“ Sowie: „Deswegen hat der Antiislamismus den Antisemitismus als wichtigste Haßideologie des Imperialismus abgelöst. Von der jüdischen Weltverschwörung reden nur noch rückständige Irre; im Mainstream von Politik und Medien hat sich statt dessen die islamistische Weltverschwörung als neue Wahnideologie etabliert.“ Wer jemals längere Zeit auf den einschlägigen Bloggerseiten zwischen „Achse des Guten“ und „Lizas Welt“ gelesen und ihren Wahn studiert hat, irgendwie noch nachträglich das Warschauer Ghetto vor über sechzig Jahren zu bewältigen, indem man heute so viele Araber umbringt wie möglich, der kann sich dem nur anschließen. Noch einmal Elsässer: „Sind also die Neocons die Faschisten unserer Zeit? Bevor man dem allzu schnell zustimmt, muß man dem Problem ins Auge sehen, daß diese Leute sich in der Regel als Antinazis definieren. Sie berufen sich auf die Lehren aus dem Holocaust und wollen ein neues Auschwitz verhindern – und deswegen sind sie für den Massenmord. Das ist eine ungeheuerliche Demagogie – aber das kennen wir schon von der Hitlerschen Propaganda.“ Man sollte sich diesen Artikel einrahmen und über den Schreibtisch hängen.
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet von einer neuen Verschwörungstheorie zum Massaker von Kana, die derzeit in den von Elsässer beschriebenen Kreisen grassiert. Im Zentrum dieser Theorie steht das reichlich absonderliche Argument: „Es ist sooo unfair, dass die Hisbollah ausgerechnet da Zivilisten hinpackt, wo wir ganz friedlich und unschuldig unsere Bomben abwerfen.“ Und wer die ermordeten Kinder den Weltmedien zeigt, ist nach dieser Lesart erst recht ein Freund des Terrorismus. Naja, Israel hat die UNO aus dem Libanon gebombt, da wird das mit den Journalisten bestimmt auch möglich sein. Warum eigentlich überträgt Jerusalem der Hisbollah nicht gleich die israelische Regierung, wenn diese Gruppe ohnehin schon für jegliche Entscheidung des israelischen Staates verantwortlich gemacht wird?
Ebenfalls in der „Süddeutschen“ erklärt Erhard Eppler überzeugend und nachvollziehbar, warum die Politik des Immer-feste-druff inzwischen selbst für militärisch überlegene Mächte in einem Fiasko enden muss.
Und die BILD erinnert noch einmal daran, dass sie in erster Linie Propagandainstrument ist (und erst in zweiter Linie Dreckschleuder des Boulevard): In diesem Artikel etwa zählt sie wie selbstverständlich nur die israelischen Opfer.
Zum Abschluss noch ein hübsches Zitat von einem jener Herren, zu denen Jürgen Elsässer nicht viel Freundliches einfallen konnte: „Immer, wenn es im Nahen Osten brennt, geraten viele deutsche Mitbürger in einen Zustand gesteigerter Erregung – wie Pyromanen auf Entzug, die lange kein Feuer mehr angezündet haben, sich aber gerne die Hände an den Flammen wärmen.“ Bitte? Sie regen sich eigentlich vor allem darüber auf, wenn massenhaft unschuldige Menschen umgebracht werden, darunter zahllose kleine Kinder? Und Sie haben nicht nur „lange kein Feuer angezündet“, sondern überhaupt nie und sind deshalb auch nicht „auf Entzug“? Ts, ts, ts. Sie sind doch Deutscher, oder? Und da sind Sie natürlich von Geburt an böse und verkommen, zumindest in den Augen von Leuten, die anscheinend entweder polemisieren bis zur Debilität, um dadurch jede Kritik an diesen Untaten abzublocken, oder aber bis zur Halskrause vollgepackt sind mit Rassismus, ob gegen Araber oder gegen Deutsche, sich dabei jedoch selbst gerne als mutige Widerständler gegen den Antisemitismus inszenieren. Jepp, man kann es nicht anders sagen: Jürgen Elsässer hat mit seiner Analyse voll ins Schwarze getroffen.
<< Home