26. August 2006
So, nachdem wir ihm alle in einer konzertierten Aktion geholfen haben, seine Autobiographie zum Bestseller zu machen, ist es nun auch langsam gut mit dem Palaver um Günter Grass. Inzwischen haben sich schon die unterschiedlichsten Prominenten und Halbprominenten in dieser Sache geäußert, aber am treffendsten schildert wohl der Wiesbadener Psychotherapeut Nikolaus Geberth in seinem Zwischenfazit das Verhalten so einiger Zeitgenossen: „Da bekennt sich ein Mensch zu den Verirrungen seiner Jugend und wird daraufhin in der Öffentlichkeit scharf angegriffen. Manche würden ihn am liebsten zerreißen wie Hyänen, die eine Schwäche bei einem Tier entdeckt haben, und ihm sein Lebenswerk, seine persönliche Integrität und seine Ehrungen aberkennen.“ (Weiter geht es hier.)
In dieselbe Kerbe schlägt ein Zwischenruf aus St. Gallen: ”Über das Zeigen mit dem Finger”.
Wohlgemerkt: Diese klaren Worte beziehen sich auf das Hyänenhafte mancher „Kritiker“, sobald der alte Löwe sichtbar schwächelt: Einige waren ja vor Begeisterung komplett aus dem Häuschen, als Grass von seiner SS-Mitgliedschaft als 17jähriger sprach, andere phantasierten ihn als „tief verstrickt“. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich nicht, dass ein Grass außerhalb jeder Kritik steht. Vermutlich bin ich einfach zu jung, ich konnte noch nie viel mit dem Kerl anfangen. Der Musiker Bernd Begemann erklärt hier, welche guten Gründe es gibt, Grass nicht zu mögen. Witzig ist allerdings, dass oft genau jene Leute geradezu ekstatisch auf Grass einprügeln, die, ähnlich wie Grass, selbst am grobmotorischsten mit der Kollektivschuld-Moralkeule herumfuhrwerken. Motto: Was ich an mir selbst so hasse, dass ich´s gar nicht wahrhaben will, dafür mache ich andere um so begeisterter fertig. Das Büchlein „Antideutsche, Neokonservative und ihre Projektionen“ kann so um ein weiteres Kapitel ergänzt werden.
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