6. August 2006
Wie langjährige und gründliche Leser meiner Texte wissen, bin ich ein großer Fan von „trivialen“ Formaten wie Soap Operas und Comicbooks, unter deren so glatt wirkender Oberfläche sich oft aufschlussreiche politische Statements verbergen. Im Augenblick ist das auf sehr drastische Weise bei den Superhelden-Comics des US-amerikanischen Marvel-Verlags ("Spider-Man", "X-Men") der Fall. Während Bushisten in Deutschland die Kritik an George Bush demagogisch mit plumpem Antiamerikanismus gleichsetzen (Motto: „Die USA hat Deutschland von einer menschenfeindlichen Diktatur befreit, also sollte Deutschland die USA gefälligst auch dann unterstützen, wenn sie selbst menschen- und freiheitsfeindliche Züge annimmt!“), zeigen die Comickünstler des Marvel-Verlages mit ihrer Serie „Civil War“ die enorme Zerrissenheit der Vereinigten Staaten auf. Der Grundgedanke dieser Serie ist eine Polarisierung des Marvel-Superhelden-Universums, so dass etwa der Großindustrielle und ehemalige Waffenproduzent Tony Stark/“Iron Man“ auf Seiten der Regierung steht, Captain America als Verkörperung der amerikanischen Ideale jedoch fahnenflüchtig ist. Für viele Beobachter ist klar: Prinzipiell heißt es in dieser Serie ”Captain America und Co. gegen George Walker Bush“. Und tatsächlich findet die Kritik an der momentanen Einschränkung der Bürgerrechte durch den ”Patriots Act“ und begleitende Gesetze nicht nur zwischen den Zeilen statt: Anklänge an die Greuel von Guantanamo Bay oder Verknüpfungen mit der Masseninternierung von Japanern in Sammellagern, die in den USA der 1940er Jahre stattfand, sind unüberlesbar. Mit seiner Kritik an der aktuellen amerikanischen Regierung toppt Marvel damit noch einmal seinen größten Konkurrenten DC, der in seinem Universum Supermans Erzfeind, den Superschurken Lex Luthor, zeitgleich mit George Bush in "unserer" Realität zum amerikanischen Präsidenten machte. Nie waren Comics politischer als heute.
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