Amazon in Erklärungsnot
Inzwischen hat sich ein weiterer Mitarbeiter von Amazon auf meine erneute Anfrage gemeldet. Er entschuldigt sich für die „Unregelmäßigkeiten“ im Zusammenhang mit meiner Rezension, könne aber, da seine zuständige Kollegin nicht im Hause sei, keine „aufschlussreiche Informationen“ zu den Hintergründen ihres Verschwindens geben. Nachdem er die Angelegenheit „mit der zuständigen Abteilungsleitung (...) erläutert“ habe, wurde meine Rezension nun wieder online gestellt. Inzwischen muss man aber einige Seiten nach hinten blättern, um sie zu lesen.
Offensichtlich ist diese Stellungnahme Amazons mehr als unbefriedigend. Insbesondere erklärt sie in keiner Weise, warum sämtliche negativen Rezensionen zu Broders Buch nach ihrer Veröffentlichung wieder entfernt wurden. Auf Nachfragen speziell von Herrn Seidel und mir konnte Amazon keinen Grund angeben, und Rezensionen, deren Verfasser das Verschwinden ihrer Texte nicht mitbekamen, bleiben verschollen. Meine Vermutung, dass ein einzelner Amazon-Mitarbeiter mit einer starken ideologischen Positionierung ausreicht, um hier spürbare Manipulationen vorzunehmen, wurde nicht entkräftet. Dem Amazonkunden kann man insofern nur den Ratschlag geben, auch ein paar Wochen später nachzusehen, ob seine Rezension noch online steht und gegebenfalls nachzufragen, was mit ihr geschehen ist. Wenn so etwas öfter passiert, dürfte die Amazon-Leitung hoffentlich irgendwann hellhörig werden.
Auf meinen gestrigen Blogeintrag habe ich außerordentlich viele Leserzuschriften erhalten. Einige beklagten sich darüber, dass auch von ihnen verfasste Rezensionen zu politischen Themen von Amazon nicht veröffentlicht wurden. Das allein halte ich allerdings noch nicht für ungewöhnlich. Amazon macht explizit deutlich, dass die Veröffentlichung von Rezensionen einer internen Auswahl unterliegt, und dass dabei viele Kriterien eine Rolle spielen. So möchte ich einem Leser zustimmen, der mir schreibt: „(...) Im Übrigen hatte ich wirklich schon des öfteren ähnliche Probleme mit den Rezensionen bei Amazon, die verschwanden, dann doppelt auftauchten usw., aber auch bei so eher unverfänglichen Sachen wie Stephen Kings ES. Und ich musste ebenfalls nachfragen, ziemlich oft schon. Natürlich ist es aber verdächtig, wenn es alle kritischen Rezensionen betrifft.“ Eben. Letzeres ist für mich der Knackpunkt.
In diesem Zusammenhang mailt mir ein anderer aufmerksamer Leser: „Das von Ihnen beschriebene Phänomen ist mir vor ziemlich genau einem Jahr auch aufgefallen. Nachdem Lars Rensmanns `Demokratie und Judenbild´ zuvor mit fünf Sternen bejubelt worden war, erschien im September 2005 eine Kundenrezension, die dem Buch nur einen Stern widmete. Am 31. Oktober folgte eine weitere Rezension, die sich mehrerer in Ihrem Buch (`Warum Hohmann geht und Friedman bleibt´) verwendeter Kritikpunkte bediente und dem Buch (Lars Rensmanns) vorwarf, die `kruden Thesen der radikal Antideutschen´ in `pseudowissenschaftlicher Verbrämung´ zu präsentieren. Wenige Wochen später waren beide Rezensionen verschwunden. Im Dezember erschien eine weitere Lobeshymne, in der das Buch der `Bundeszentrale für politische Bildung´ empfohlen wurde. Arendt hat übrigens Auszüge beider Verrisse auf seiner Seite dokumentiert.“
Ich recherchiere nach: In der Tat finden sich auch auf der Amazonseite zu Lars Rensmanns Buch inzwischen ausschließlich positive Rezensionen, zwei davon doppelt. Ich kann mich aber ebenfalls daran erinnern, zu Rensmanns Buch eine negative Besprechung bei Amazon gelesen zu haben. Rensmann rechne ich demselben politischen Umfeld zu wie Broder, auch bei ihm habe ich den Eindruck, dass er Antisemitismusvorwürfe als politische Waffe gegen Andersdenkende benutzt, auch er ist ausgesprochen umstritten. So erhob der Antisemitismusforscher Klaus Holz gegen Rensmanns Buch schwere Vorwürfe: „Zu nennen sind hier verkürzende Zitate, das Ausblenden von konkurrierenden Ansätzen, die Unterschlagung von Quellen oder bestimmten Aspekten dieser Quellen, die der These zuwiderlaufen, und nicht zuletzt die pauschale Abqualifizierung nahezu sämtlicher FachkollegInnen. (…) Rensmann musste sich bereits einmal unter Androhung einer Klage außergerichtlich zur Unterlassung ähnlicher Behauptungen über Schriften Ludwig Watzals verpflichten. (…) In der Berliner Staatsbibliothek ist sein Buch gegenwärtig nicht mehr entleihbar mit dem sprechenden Hinweis `Rechtsstreit, nicht benutzbar´.“ Klickt man heute aber auf die entsprechende Amazonseite erscheint dieses Werk, als wäre es eine wissenschaftliche Offenbarung. Die Seite Erhard Arendts, die Passagen der einstmals bei Amazon veröffentlichten kritischen Rezensionen wiedergibt, findet sich hier (fast ganz nach unten scrollen). Darüber ist von Erhard Arendt die Anmerkung zu finden: „Ich frage mich, warum Amazon diese nachfolgenden Besprechungen nicht mehr für die Leserinnen und Leser bereitstellt?“
Ein weiterer Leser meines Blogs weist mich, „damit Sie sehen können, wie schnell Ihre Prognose eintrat und wie `wunderbar´ Broders Saat aufgeht“, auf die Website einer Berliner Interessensgemeinschaft hin, die gegen den geplanten Bau einer Moschee in Pankow protestiert. Ein „regelmäßiger Teilnehmer an den Protestzügen“, der dadurch verhindern will, dass seine Enkel „in einer islamischen Bundesrepublik Deutschland aufwachsen“, empfiehlt in diesem Zusammenhang explizit das Buch Henryk M. Broders.
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