Dienstag, November 21, 2006

Ausländer rein!

Ich lese gerade mit großem Interesse das Buch “Extreme Future“ des Zukunftsforschers James Canton. Darin findet sich eine bemerkenswerte Passage im Kapitel über die Zukunft der Arbeitswelt:

„According to the U.S. Bureau of Labor Statistics, the U.S. workforce will lose the skills and knowledge of forty-six million college-educated baby boomers, who will retire over the next twenty years. They are not being replaced, at least not domestically. This will become a crisis, not just in the U.S. but in Europe as well. Unless we drastically open the door to immigration to offset low fertility and low productivity, quality of life will decline.”

Das dürfte sich für deutsche Ohren äußerst befremdlich anhören. In Umfragen benennen die Menschen als Hauptproblem noch immer die Arbeitslosigkeit, und in einigen Kreisen ist „Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ noch immer ein Evergreen. Jetzt zu hören, dass sich diese Problmatik in nur fünf bis zehn Jahren durch den Pillenknick komplett umkehren wird und wir die Tore für Zuwanderer sperrangelweit aufreißen sollten, um unsere Gesellschaft am Laufen zu halten, ist sicher gewöhnungsbedürftig.

Eine noch nie gehörte Neuigkeit ist diese Entwicklung für aufmerksame Zeitungsleser allerdings auch wieder nicht. So konnten wir von Christian Schwägerl in der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 7. Juni 2006 lesen: „Ein gigantisches Frauenbeförderungsprogramm steht bevor, weil auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft die Frau als das stärkere Geschlecht dastehen wird. Das Jahr 2010 markiert den Zeitpunkt, zu dem in Deutschland ein Umbruch der demographischen und ökonomischen Verhältnisse anläuft, der tradierte Geschlechterfrontverläufe heillos verwirren wird. Dann beginnt die Zeit, in der es nicht mehr zu viele junge Leute gibt, die in den Arbeitsmarkt drängen, sondern viel zu wenige. Junge Frauen werden dabei eine besondere Rolle spielen. (...) In jeder Fünfjahresperiode bis 2025 werden eine Million Deutsche mehr in Rente gehen, als Fünfzehn- bis Neunzehnjährige nachrücken. Unternehmen, Behörden, Forschungsstätten sind dann mit einem dramatischen Mangel konfrontiert.“

Wenn Politiker sich derzeit also alle möglichen Verrenkungen ausdenken, um Frauen Berufstätigkeit und Familie gleichermaßen zu ermöglichen, liegt das nicht daran, dass sie alle Anhänger einer feministischen Ideologie sind, sondern an purem wirtschaftlichen Eigeninteresse des Standorts Deutschland. Die Frauen allein werden aber nicht ausreichen, um den entstehenden Mangel auszugleichen. Wir werden auch massenweise qualifizierte Arbeitskräfte von außerhalb Europas anwerben müssen. Wer jetzt schon von „Überfremdung“ schwadroniert, wird dann erst recht nicht viel zu lachen haben.

„Rechte“ (konservative) Politiker dürften diese Umbrüche als besondere Herausforderung begreifen. Sie werden, wie bisher, einen stärkeren Patriotismus und eine deutsche Leitkultur fordern, damit der Charakter unserer Nation nicht verlorengeht, ähnlich wie das ja auch im Einwanderungsland USA der Fall ist. Sie werden darauf bestehen, dass man eine Pflicht zum Deutschlernen einfordern und Probleme wie Ausländrkriminalität benennen dürfen muss, ohne als Nazi angefeindet zu werden. Diese und andere Forderungen können sicherlich sinnvoll sein. Ganz sicher nicht sinnvoll ist allerdings eine generelle Fremdenfeindlichkeit. Nicht weil diese politisch inkorrekt wäre oder rot-grünen Multikulti-Träumen zuwiderliefe, sondern aus dem erwähnten handfesten deutschen Eigeninteresse heraus.

Nun werden wir all diese Einwanderer nicht ausschließlich aus dem fernen Osten anwerben können. Unter ihnen werden sich ohne Zweifel auch viele Muslime befinden. Und es dürfte schwierig sein, ihnen klarzumachen, dass man ihre Hilfe dringend braucht, damit wir unsere Gesellschaft am Funktionieren halten können, dass ihre Religion hierzulande aber scharf abgelehnt wird, weshalb sie sich davon besser verabschieden sollten. „Bitte kommt zu uns!“ beißt sich schon ein wenig mit Protestmärschen gegen eine geplante Moschee. Wir werden mit dieser Religion irgendwie klarkommen und leben müssen. Wenn also etwa Wolfgang Schäuble gerade mit viel Mühe beginnt, auf Islamkonferenzen und andernorts einen fairen Dialog zu suchen, dann nicht deshalb, weil er von Feigheit übermannt oder einem „allgemeinen Dhimmitum“ verfallen ist, sondern weil er ganz pragmatisch unsere eigenen Interessen gewahrt sehen möchte. Wenn man selbst keine politische Verantwortung trägt, sondern nur an Internet-Stammtischen sitzt, kann man Schäuble und Co. natürlich leicht als Vaterlandsveräter niedermachen, aber keiner aus dem Kreis der Islamophoben, ob Internetblogger oder Buchautor, konnte bislang irgendein tragfähiges Lösungskonzept für das Aufeinanderprallen der Kulturen anbieten. (Und nein, Weltkrieg gilt bei mir nicht als „tragfähiges Lösungskonzept“.) Alles, was die Broders, Miersches, Herres und Schröders hinbekommen, ist, die Arme in die Luft zu werfen und „Wehe! Wehe!“ zu rufen, um so den Dialog noch ein bisschen schwieriger zu machen und die Spannungen noch ein bisschen zu verstärken. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Problemen, die mit dem Islam verbunden sind, aber den Islam an sich als Problem wahrzunehmen oder von „1,5 Milliarden dauerbeleidigten Muslimen“ zu sprechen, dient einer vernunftsgeleiteten Politik sicher nicht.

Wie man so liest, bezeichnen einige amerikanische Autoren Europa wegen der großen Zahl hier lebender Muslime bereits spöttisch als „Eurabia“. Eher früher als später werden ihnen ihre eigenen Worte im Hals stecken bleiben. Auf die USA, daran lässt der Zukunftsforscher James Canton keinen Zweifel, kommt schon in den nächsten Jahren genau dasselbe zu.