Freitag, März 16, 2007

Mob 2.0

Robert Misik thematisiert in der aktuellen taz die neue Hasspropaganda im Internet. Ein Auszug:
Was im "normalen" Diskurs marginal bliebe, kann über die selbstreferentiellen Wichtigkeits-Systeme im Web Bedeutung erlangen. Gewiss, das macht die politische Debatte lebendiger - vieles, was sonst im Einheitsbrei der Mitte unterginge, erobert sich jetzt seinen Platz. Das Spektrum der Meinungen differenziert sich angesichts der niedrigen technologischen Eintrittsschwellen aus. Man kann aber auch berechtigt Zweifel hegen, ob das die politischen Diskurse unbedingt gesünder macht. Verschwörungstheoretiker, Klimawandelleugner, rassistische Hetzer - auch sie tummeln sich im Netz wie die Fische im Wasser. Je durchgeknallter, umso auffälliger. Dass Henryk M. Broder gerade zum deutschen "Online-Journalisten 2007" gekürt wurde, hat so gesehen eine geradezu symptomatische Folgerichtigkeit.

Schon macht ein böses Wort im "Web 2.0" die Runde: "Mob 2.0". Damit ist der Herdentrieb sektiererischer politischer Meinungsgemeinschaften gemeint und die Verbissenheit, mit der hier politische Kämpfe ausgetragen werden: Wäre man nicht nur durch Glasfaserkabel miteinander verbunden - und damit: getrennt -, es käme gewiss täglich zu Schlägereien. Aber das böse Mob-Wort meint natürlich nicht nur den freien Lauf politischen Irrsinns, den das interaktive, niedrigschwellige Netz begünstigt, sondern alle möglichen Erscheinungen der Böswilligkeit: das Gerüchtestreuen, die täglichen Rufmorde, das Hochschaukeln, Anschwärzen, die Erosion aller Dämme, die zu beobachten sind, wenn anonyme Poster alles in die Welt setzen können. Denunzianten hatten noch nie so eine schöne Zeit.

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