Thomas Gesterkamps brauner Pinsel
Dieser Tage wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Pamphlet des Männerforschers Thomas Gesterkamp herausgegeben, worin dieser mit einigen abwegigen Behauptungen weite Teile der Männerrechtsbewegung in eine rechte Ecke zu schieben versuchte. Eine verdichtete Fassung dieser Schrift hatte auch die Berliner "tageszeitung" vom 8. März dieses Jahres anscheinend ungeprüft veröffentlicht. Thomas Gesterkamp war bereits in der Vergangenheit dafür kritisiert worden, der Diffamierung des politischen Gegners zuliebe echten Rechtsradikalen in die Hände zu spielen. Jetzt hat die geschlechterpolitische Initiative AGENS (in deren Vorstand ich bin) auf ihrer Website zwei Erwiderungen auf Gesterkamps Polemik veröffentlicht. Sie stammen von der Diplompsychologin Beate Kricheldorf und von der Goslarer Gleichstellungsbeauftragten Monika Dittmer, die beide Mitglieder bei AGENS sind.
Beate Kricheldorfs Erwiderung zu dem Gesterkamp-Pamphlet:
Dem vermeintlich „politisch korrekten“ Journalisten und bekennenden „Frauenversteher“ Thomas Gesterkamp sind nun offensichtlich die Argumente ausgegangen. Schon mehrfach hatte er seinen Unmut und Ärger über kritische Stimmen zum Feminismus kundgetan; u.a. in der Buchbesprechung zur „Befreiungsbewegung für Männer“ in der „taz“ und im WDR.
Nun holt er zu einer breiter angelegten Kritik aus, indem er nicht nur Autoren dieses Buches, sondern alle bekannten Männer- und Väterinitiativen wie z.B. „Manndat“ oder „Väteraufbruch“ aufs Korn nimmt und sie pauschal als politisch rechtsextrem abstempelt. Ein zweifellos hilfloser und auch dummer Versuch, sich mit den Inhalten solcher Initiativen auseinanderzusetzen. Nach Gesterkamp ist es bereits eine Unverschämtheit, sich mit dem Feminismus überhaupt kritisch zu beschäftigen, geschweige denn Dinge daran in Frage zu stellen oder gar abzulehnen. Nur ganz am Rande und eben „politisch korrekt“ werden auch einige angeblich nachvollziehbare Argumente der Männerbewegung eingeräumt; z.B. der Bildungsnotstand bei Jungen, die Vernachlässigung der Männergesundheit, die Tabuisierung der Gewalt gegen Männer (sofern sie von anderen Männern ausgeht und nicht von Frauen). Einige Gruppierungen wie der „Väteraufbruch“ werden als relativ unpolitisch und somit als harmlos („moderat“) und „zahnlos“ eingeschätzt. D.h. nach Ansicht des Autors ist die Benachteiligung von Vätern im Familienrecht wohl eher „Gedöns“.
Andere Gruppierungen, wie z.B. AGENS, werden als höchst gefährlich eingestuft: von Feminismushetze, Frauendenunzierung und auf die Spitze getriebene Polemik gegen Gender-Mainstreaming ist die Rede. Dass unter den sieben Gründungsmitgliedern von AGENS auch zwei Frauen sind, wird (wahrscheinlich bewusst) verschwiegen.
Veranstaltungen wie der kürzlich stattgefundene Düsseldorfer Männerkongress seien zwar „bestimmt kein Treffen Rechtsradikaler gewesen“, aber immerhin sei auch der „umstrittene“ Gerhard Amendt unter den Rednern gewesen, dem wegen der angekündigten Attacken militanter Feministinnen ein Bodyguard zur Seite gestellt wurde.
Dass es überall und in allen Vereinen solche und solche gibt (Linke und Rechte, Progressive und Konservative, Vegetarier und Fleischfresser usw.) mag eine Selbstverständlichkeit sein. Aber alles, was in der Geschlechterdebatte von männlicher Seite kommt, als „rechts“, „braun“ und schlecht abzustempeln und alles, was von weiblicher Seite kommt, als „links“, grün (oder lila) und gut zu verherrlichen (oder zu „verdämlichen“) ist m. E. eine Polarisierung, die lediglich auf Polemik und Kampf abstellt und eine sachliche Diskussion von vornherein verhindert. So hat der Verein AGENS sich u.a. auf die Fahnen geschrieben, es gerade „besser“ zu machen als viele feministische Strömungen; nämlich auf Schreien, Jammern, Diffamieren zu verzichten.
Der Feminismus hat sich totgesiegt und braucht keine Fürsprecher, Schützenhelfer und „Frauenbeschützer“ wie Thomas Gesterkamp mehr. Darauf können und wollen emanzipierte Frauen verzichten. Verzichtet werden kann auch auf plumpe Polemik. Wenn die alten Argumente (Männer sind Schweine, Gewalttäter usw.) nicht mehr ziehen, müssen eben neue her wie „rechtsradikal“ oder „neokonservativ“. Das macht nicht mal wütend, sondern ist einfach nur ärgerlich und überflüssig.
Letztlich sind es nicht nur Männer, sondern zunehmend auch immer mehr Frauen, die den Feminismus in der praktizierten Form (Benachteiligung von Jungen und Männern) nicht mehr mittragen wollen.
Beate Kricheldorf
Dipl.-Psych., politisch liberal (FDP), Gründungsmitglied von AGENS
Der offene Brief der Gleichstellungsbeauftragten Monika Dittmer an Thomas Gesterkamp (dieser Text ging auch als Leserbrief an die "taz"):
Sehr geehrter Herr Gesterkamp,
ich danke Ihnen für Ihre persönlichen Worte und Ihre subjektiven Schlussfolgerungen in der Veröffentlichung der FES im März 2010, die Sie mit „Geschlechterkampf von rechts“ überschrieben haben.
Mich haben Ihre Überschrift und der Untertitel allerdings auch erschrocken. Sie sprechen von „Feindbild", "Geschlechterkampf“ und „Radikalisierung“.
Ich bin seit Jahren in sozialen Arbeitsfeldern tätig, frauenbewegt und in Sorge um die Situation von jungen Frauen und jungen Männern, Mädchen und Jungen. Genau die Punkte, die sie für diskussionswürdig halten (Schwierigkeiten von Jungen in der Schule, Männergesundheit, Tabuisierung der gegen Männer gerichteten Gewalt) treiben mich um. Hinzu kommt mein persönliches Empfinden (das sei an dieser Stelle erlaubt), dass der Feminismus, in die Jahre gekommen, „schwach auf der Brust“ ist und Argumente widerkäut. Er wird von jungen Frauen nicht mehr verstanden, oft nicht mal gebraucht. Er verharrt eben in der Opferhaltung, die Sie den überwiegend männlichen Akteuren Ihres Textes vorwerfen. Ist es falsch, wenn ich mich für emanzipiert halte und aus diesen „ feministischen Kinderschuhen“ herausgewachsen bin?
Die große Geschlechterpolitik scheint mir an dem Mann und der Frau auf der Straße vorbeizulaufen. (Eine emanzipierte junge Frau Ende 20 äußerte in meinem Beisein: „Bei den Frauenthemen müsst ihr mir aber helfen; ich weiß nicht, welche das sind.“)
Die große Geschlechterpolitik lässt die Gleichstellungsarbeit vor Ort, genau mit den Ungereimtheiten, die Sie in Ihrem Text gegen die genannten Akteure verwenden, im Regen stehen. Gleichstellungsbeauftragte sind überfordert, wenn sie öffentlich formulieren „Ich bin doch nicht der Feminismus/die Frauenbewegung in Person“.
Die von Ihnen beschriebenen Umdeutungen wundern mich nicht. Diese sind ja dann möglich, wenn Begrifflichkeiten vage sind. In der Gleichstellungspolitik gibt es davon etliche.
Gleichstellungsarbeit als Querschnittsaufgabe überlässt es den Akteuren vor Ort mit einer ausufernden Deutungshoheit, diese zu prägen und zu dominieren. Deren einzige Sicherheit ist ein begrenzter Kreis feministisch ausgerichteter Frauen, deren Argumente wie sie selbst in die Jahre gekommen sind. Dieser Tunnel scheint mir immer mehr zur Sackgasse für die altehrwürdige Frauenbewegung und den Feminismus zu werden.
Immer noch tobt die Diskussion unter Frauen „Ich arbeite und du bist Nur-Hausfrau“, wenn sie auch eine andere Tonart gefunden hat. Wenn Gleichstellung hier bedeutet, Kinderbildung und -betreuung auszulagern und Hausarbeit gering zu schätzen, dann fühle ich hier keine echte Wahlfreiheit, weder für Frauen noch für Männer.
Wäre Ihrer Meinung nach Gleichstellung erreicht, wenn das Proletariat männlich, ungebildet und arm und die Führungsetagen weiblich, gebildet und reich sind? Dieser Schluss drängt sich mir aufgrund Ihrer Ausführungen auf.
Das Rad kann nicht rückwärts gedreht werden, aber eine Gesellschaft ist im Wandel. Bitte formulieren Sie einmal einen Text, der aufzeigt, worin dieser Wandel im Sinne der Gleichstellung von Mann und Frau liegt und wohin das Schifflein wohl segeln mag, wenn Sie dazu in der Lage sind. Das wäre eine echte Hilfe für die Männer und Frauen, Mädchen und Jungen, die sich um ein partnerschaftliches und liebevolles Miteinander bemühen
Mir hat es nicht gefallen, dass Sie gleich auf der ersten Seite Ihres Textes mit dem braunen Pinsel kommen und diesen im gesamten Verlauf Ihrer Ausführungen nicht mehr aus der Hand fallen lassen. Mir hat es auch deswegen nicht gefallen, dass Sie ohne Not den braunen Pinsel über AGENS gestrichen haben. Gerade wir Frauen fühlen uns von AGENS ernst genommen, da er Mann und Frau eine Stimme gibt! Ihr brauner Pinsel ist kein Beitrag zu einem dringend notwendigen gesellschaftlich-politischen Diskurs, das ist pure Ideologie.
Ich glaube, viele Männer und Frauen sind heute bereit und in der Lage, Gleichstellung konsequent weiterzudenken. Daran wird Ihre, wie ich finde, pauschale und subjektive Verunglimpfung nichts mehr ändern können.
Ich habe das Buch „Befreiungsbewegung für Männer“ gelesen. Die Autoren und Autorinnen haben damit eine längst überfällige Debatte in Schwung gebracht. Was motiviert Sie, diesen Sammelband sofort in die rechte Ecke zu schieben? Werden hier Wahrheiten ausgesprochen, die für Sie nicht aushaltbar sind?
Mit Ihrer einseitigen, pauschalen Zuweisung der „Männerrechtler“ in die rechte Ecke sind Sie für mich nicht diskursfähig. Mündige Bürger und erst recht Sie als Journalist sollten in der Lage sein, Argumente abzuwägen. Dabei werden Sie unterschiedliche Standpunkte aushalten können.
Ich wünsche mir für meine Töchter und Söhne keinen Geschlechterk(r)ampf, sondern mehr persönliche Freiheit für ihre individuellen Lebensentscheidungen und eine konsequente Gleichstellungsdebatte. Das ist ohne positive Sicht auf das Männliche und das Weibliche als komplementäre Phänomene nicht möglich. Die einseitige Verdammung aller männlichen Verhaltensweisen und das Hochhalten politisch gewollter Männerbilder ist keine authentische Vorlage für Jungen und Mädchen.
Es ist in diesem Sinne gut (für mich) aushaltbar, einmal mit etwas mehr Nachdruck auf die Seite der Männer zu schauen und daraus Schlüsse für Frauen und Männer zu ziehen. Sie haben mit Ihrem Text allerdings auch deutlich gemacht, wie weit fortgeschritten dieser neue Diskurs bereits ist – unaufhaltbar!
Monika Dittmer
Diplom Sozialarbeiterin/-Pädagogin
Systemische Familientherapeutin
Kita-Leitung
Gleichstellungsbeauftragte
Siehe dazu auch den Artikel Das fragile Feindbild des Thomas Gesterkamp im Blog "Webjungs".
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