26. September 2005
„Nur elf Prozent der Bevölkerung sind frei von Antisemitismus“ titelt eine sich selbst so bezeichnende “Internet-Plattform gegen Rechtsextremismus“ auf der Grundlage einer Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld. Man fühlt sich ein bisschen wie in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“, denn man kann sich heute schon sicher sein, dass kaum ein Mensch in der Medienöffentlichkeit gallopierenden Schwachsinn wie diesen kritisch hinterfragen wird. Die Replik, derjenige sei ganz gewiss selbst schon heimlich dabei, Konzentrationslager im Keller zu basteln, käme mit Sicherheit postwendend. Tatsächlich lautet die implizite Definition, die die Bielefelder Forscher für „Antisemitismus“ anlegen: „jede Meinung bei umstrittenen Fragen, die sich von unserer unterscheidet“. In vermutlich keinem anderen Fachbereich könnte man sich einen solchen Unfug leisten, ohne von seinen Fachkollegen demontiert zu werden. Turnte zum Beispiel während der Hohmann-Affäre Heribert Prantl in Sendungen wie dem Presseclub herum, um zu behaupten, wenn etwa Martin Hohmann der Kollektivschuldthese widerspreche, widerspräche er damit nur einem von Rechtsradikalen aufgebauten Popanz, denn kein ernsthafter Wissenschaftler würde diese These ernsthaft vertreten, so wertet Bielefeld einen Widerspruch zur Kollektivschuld als Signal für Antisemitismus. Dito gilt als Beleg für Antisemitismus, wenn jemand sich darüber ärgert, dass heutigen Deutschen die Verbrechen der Nationalsozialisten vorgeworfen werden, oder wenn jemand die Taten des israelischen Militärs gegen die Palästinenser mit den Verbrechen der Nazis gegen die Juden vergleicht. Antisemitisch eingestellt wären nach dieser Definition beispielsweise die ehemalige israelische Erziehungsministerin Schulamit Aloni, der israelische Politologe Professor Ilan Pappe, die britische jüdische Abgeordnete Oona Kina, die jüdische Menschenrechtsaktivistin Felicia Langer, die israelische Sängerin Yaffa Yarkoni und etliche andere Oppositionelle Israels. Nebenbei bemerkt: Alles Leute, die, obwohl sie selbst mitten in der Bedrohung durch auch palästinensischen Terrorismus leben, eine weit klarere und mutigere Ethik vertreten als viele politisch korrekte Bessermenschen und "Moralwächter" in der komfortablen Sicherheit Deutschlands.
Von dem jüdischen Historiker, Friedensaktivisten und Publizisten Shraga Elam stammen gleichfalls deutliche Worte: „Ich finde es beschämend, daß es in Deutschland heute nur beschränkte Möglichkeiten gibt, die israelischen Kriegsverbrechen und die gefährlichen Mechanismen beim Namen zu nennen. Es zeigt sich wieder einmal, daß in Deutschland nur wenige Leute tatsächlich etwas aus der braunen Vergangenheit gelernt haben. Obwohl es formell keine Diktatur gibt, herrscht nach wie vor eine Gleichschaltung und öffentliche Feigheit, die schreckliche Realität ungeschminkt zu beschreiben und zu thematisieren. (M)eine Großeltern sowie mehrere Mitglieder meiner Familie sind von den Nazis umgebracht worden. Mein Vater flüchtete rechtzeitig von Nazideutschland nach Palästina. Selber war ich israelischer Soldat und nahm an zwei Kriegen Teil. (...) Auf diesem Hintergrund und nach reichlichen Recherchen und Überlegungen, kann ich sagen, daß genügend überzeugende Beweise vorliegen, die den Vergleich zwischen der NS-Judenpolitik und der jetzigen israelischen Palästinapolitik absolut rechtfertigen. Bei allen Unterschieden zwischen den beiden Situationen zeigt sich doch eine gefährliche Ähnlichkeit, die nicht verschwiegen werden darf, weder aus Feigheit noch Bequemlichkeit und Gleichschaltung - und schon gar nicht im Namen der Naziopfer. (...) Die Deutschen dürfen sich auf diese Art nicht erneut mitschuldig machen! (...) Im Namen der damaligen Opfer müssen wir heute also heftig dagegen protestieren, daß das gleiche, ähnliche oder vorstufenmäßige Vorgehen gegen die PalästinenserInnen angewandt wird.“ Was ist die Diskurslage in Deutschland? Wer sich diesem Vorgehen entgegenstellt gilt als Antisemit und Neonazi, wer brav die Klappe hält, bleibt von solchen Anwürfen verschont.
Heutzutage könne man als Antisemit gelten, beklagt Antony Lerman, der ehemalige Direktor des Londoner Institute for Jewish Policy Research, „ohne dass man auch nur irgend etwas von dem unterschreiben muss, was die Historiker stets als die Bestandteile einer antisemitischen Weltanschauung angesehen haben: den Haß auf Juden an sich, den Glauben an eine weltweite jüdische Verschwörung, den Glauben, dass Juden den Kommunismus geschaffen hätten und den Kapitalismus kontrollierten, den Glauben, daß Juden rassisch minderwertig seien und dergleichen mehr.“ So kommt der jüdischstämmige französische Publizist Alfred Grosser in diesem Zusammenhang zu dem Schluss: „Man muß Antisemitismus bekämpfen, aber auch die bekämpfen, die von Antisemitismus sprechen, wenn man die Politik von Israels Premier Scharon brandmarkt und wenn man sagt, daß Israel heute Menschenverachtung praktiziert und Akte vollbringt, die nach jeder Definition Kriegsverbrechen sind. Wenn jemand Israel kritisiert, ist das kein Antisemitismus. Genauso wie es kein Antiamerikanismus ist, wenn man die Politik Bushs furchtbar findet.“
Und was fordern die Bielefelder Forscher als Reaktion auf den von ihnen so definierten Antisemitismus? Man müsse statt nur singulär kontinuierlich Zeichen gegen die von ihnen unerwünschten Auffassungen setzen und die Streichung von Fördermitteln bei entsprechenden Bildungsträgern und Initiativgruppen zurücknehmen. Im Klartext: eine Durchtotalisierung der Gesellschaft, so dass bestimmte Meinungen nur mit der Folge extremer Stigmatisierung gesagt dürfen, und mehr Staatsknete für die Bielefelder selbst.
(Die Quellenangaben zu allen Zitaten und eine umfassendere Analyse finden Sie hier.)