18. Januar 2006
Jep, ich bin tatsächlich erkältet, was meine Kreativität etwas lähmt. (Schreiben Sie mal eine erotische Szene, wenn es Ihnen fröstelt und Ihre Nase und Ihre Ohren zu sind. Telefonieren oder DVDs schauen macht da wegen der ständigen Geräuschverzerrung auch keinen Spaß.) Das Praktische an meinem Job ist dass man immer mehr als genug Lesefutter im Haus hat, von Sachen, die man für spätere Buchprojekte noch durchpflügen muss bis zu leichter Lektüre zwischendurch. Letzeres ist Richard Latzins wunderhübsches Buch „Das Literaturquiz“. Darin wird von 220 bekannten literarischen Werken (nicht nur Romane, sondern beispielsweise auch das Tagebuch der Anne Frank, Oscar Wildes Briefe aus dem Zuchthaus, Günter Wallraffs „Ganz unten“ oder Truffauts berühmter Interviewband mit Alfred Hitchcock) jeweils der erste Satz zitiert und dann genau eine Seite lang das Buch in verrätselter Form beschrieben, so dass man gut drauf kommen kann, ohne dass es aber gleich zu offensichtlich ist. Die verschiedenen Hinweise sind oft sehr raffiniert verschlüsselt, und die Lösungen bestehen nicht allein aus dem Titel des Buches, sondern darüber hinaus aus ein paar Zeilen über seinen Hintergrund und warum es lesenswert ist. Die Schwierigkeitsstufe ist sehr unterschiedlich: Es wird wohl niemanden geben, der nicht wenigstens ein paar dieser Titel richtig errät, und niemanden, der sie alle schafft. Das alles ist nicht nur fachkundig, sondern auch stilistisch sehr klug und ohne jede akademische Schwere geschrieben - meine höchste Empfehlung für Literaturfreunde!
Da ich ohnehin gerade etwas freie Zeit habe, habe ich beschlossen, einige Rätsel hier beispielhaft herauszugreifen, aber nur solche, bei denen meiner persönlichen Meinung nach der erste Satz des zu erratenden Werkes bereits so bekannt oder so bezeichnend ist, dass man mit entsprechenden Vorkenntnissen allein schon dadurch auf die Lösung kommen müsste. Die richtigen Antworten werde ich hier in ein paar Tagen veröffentlichen.
1. Es war ein klarer, kalter Tag im April, und die Uhren schlugen gerade dreizehn, als Winston Smith, das Kinn an die Brust gepresst, um dem rauen Wind zu entgehen, rasch durch die Glastüren eines der Häuser des Victory-Blocks schlüpfte, wenn auch nicht rasch genug, als dass nicht zugleich mit ihm ein Wirbel griesigen Staubs eingedrungen wäre.
2. Er war ein alter Mann, der alleine in einem kleinen Boot im Golfstrom fischte, und er war jetzt vierundachtzig Tage hintereinander hinausgefahren, ohne einen Fisch zu fangen.
3. Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche Familie aber ist auf ihre eigene Art unglücklich.
4. Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und war frei.
5. Zugegeben: Ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger beobachtet mich, lässt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäugigen, nicht durchschauen kann.
6. Lieber Vater, du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor dir.
7. „Was ist das. Was – ist das …“
8. Die Erzählung hatte uns, die wir um das Kaminfeuer herumsaßen, einigermaßen den Atem verschlagen, doch abgesehen von der nahe liegenden Äußerung, dass sie gruselig sei, wie es sich ja für eine am Weihnachtsabend in einem alten Hause erzählte sonderbare Geschichte durchaus gebühre, entsinne ich mich nicht, dass eine Bemerkung gefallen wäre, bis einer der Anwesenden beiläufig vorbrachte, es sei der einzige ihm bekannte Fall, in dem eine solche Heimsuchung einem Kinde widerfahren sei.
9. Falls Sie wirklich meine Geschichte hören wollen, so möchten Sie wahrscheinlich vor allem wissen, wo ich geboren wurde und wie ich meine verflixte Kindheit verbrachte und was meine Eltern taten, bevor sie mit mir beschäftigt waren, und was es sonst noch an David-Copperfield-Zeug zu erzählen gäbe, aber ich habe keine Lust, das alles zu erzählen.
10. Mr. Jones von der Herren-Farm hatte die Hühnerställe zur Nacht zugesperrt, war aber zu betrunken, um auch noch daran zu denken, die Schlupflöcher dichtzumachen.
11. Am Himmelfahrtstage, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junger Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor und geradezu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes hässliches Weib feilbot, sodass alles, was der Quetschung glücklich entgangen, hinausgeschleudert wurde und die Straßenjungen sich lustig die Beute teilten, die ihnen der hastige Herr zugeworfen.
12. Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar.
13. Als Herr (Name) ankündigte, dass er seinen bevorstehenden einundelfzigsten Geburtstag mit einem rauschenden Fest zu feiern gedenke, begann in (Ort) ein erregtes Getuschel.
14. Die (Beruf) (Name) stürzt wie ein Wirbelsturm in die Wohnung, die sie mit ihrer Mutter teilt.
15. Den 20. ging (Name) durchs Gebirg.
16. (Name), Licht meines Lebens, Feuer meiner Lenden.
17. An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Rosshändler namens (Name), Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.
18. Nennt mich Ismael.
19. Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes (…).
20. Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte.
21. Alle Kinder (…) werden erwachsen.
22. Ich wurde im Jahre 1632 in der Stadt York geboren, von guter Familie, die aber nicht aus diesem Lande stammte, denn mein Vater war ein Ausländer aus Bremen.
23. Weil Esquire Trelawney, Dr. Livesey und die übrigen Gentlemen mich gebeten haben, alle Einzelheiten über (Ort) bis zum Ende niederzuschreiben (…), greife ich im Jahr des Herrn 17.. zur Feder und gehe in die Zeit zurück, als mein Vater das Gasthaus `Zum Adiral Benbow´ führte und der braun gebrannte alte Seemann mit der Säbelnarbe im Gesicht Wohnung unter unserem Dach nahm.
24. Ummmr nnnnss / rrfnn ummr nnnnss / fnnn
25. Ich bin nicht (Name).
26. Es ist eine weltweit anerkannte Wahrheit, dass ein allein stehender Mann, der im Besitz eines ordentlichen Vermögens ist, nach nichts so sehr Verlangen haben muss wie nach einem Weibe.
27. ANTIQUARIAT Inhaber Karl Konrad Koreander
28. Als ich die folgenden Seiten (…) schrieb, wohnte ich eine Meile weit von meinem nächsten Nachbar entfernt, in einem Haus, das ich mir selbst (…) gebaut hatte, allein im Walde und verdiente meinen Lebensunterhalt einzig mit meiner Hände Arbeit.
Appetit bekommen? Oder noch zu einfach? Richard Latzin bietet noch viel mehr davon und wie gesagt: Wo die ersten Sätze noch nichts Entscheidendes hergeben, sind die damit kombinierten Hinweise oft wunderbar denkanregend. Ich bin sehr für einen Nachfolgeband!
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