Donnerstag, März 22, 2007

Scharia am Main? Nicht die Spur!

Wenn immer mal wieder eine große Empörungswelle durchs Land rauscht, bleibt es schwierig, mit nüchternen und sachlichen Argumenten dagegenzuhalten. So hopsen im Falle der Frankfurter Richterin (siehe vorletzter Eintrag) bezeichnenderweise all diejenigen Hysteriker auf die Bildfläche, die sich schon in der Vergangenheit durch eher durchgeknallte Äußerungen profiliert haben, und ringen mal wieder in höchster Verzweiflung die Hände. In einigen Diskussionsforen bei SPIEGEL und ZEIT versuchen derzeit Juristen zu erklären, dass sich die angegriffene Richterin lediglich an die deutsche (!) Rechtsordnung gehalten hat, haben aber gegen die geifernde Meute nicht die Spur einer Chance. Die Panikmache einiger islamophober Autoren, Deutschland könne morgen schon von einem islamischen Rechtssystem übernommen werden, hat ganze Arbeit geleistet.

Auch viele Blogger springen derzeit fröhlich auf diesen Aufruhr drauf, und so ist es schwierig, zitierbare Texte zu finden, ohne dass man die Leute auf die Suche nach Internetforenpostings schicken muss. Erfreulicherweise gibt es aber inzwischen eine nüchterne und übersichtliche Darlegung des tatsächlichen Sachverhalts im Blog von Zettels Raum.

Kurzfassung: Entgegen einigem feministischen Aufgeplustere hat die Frankfurter Richterin die Muslimin selbstverständlich vor Gewalt durch ihren Ehemann geschützt. Es ging lediglich noch um die Frage, ob ein besonderer Härtefall vorlag, der eine vorzeitige Scheidung begründen sollte. Damit eine Situation als besonderer Härtefall anerkannt wird, gelten immer strenge Maßstäbe. Die Richterin sah diesen Härtefall als nicht gegeben, weil sie offenbar (verkürzt gesagt) argumentierte: Die Ehe wurde nach marokkanischem Recht geschlossen, dieses ist durch den Islam geprägt, und dass die Moslems gerne ihre Frauen prügeln, weil das im Koran so drinsteht, Herrgott, das weiß man doch vorher! Damit deckt sich ironischerweise das Islambild der Richterin zumindest in diesem Teil genau mit dem jener Leute, in deren Blogs sie momentan mit besonderer Inbrunst die Hucke vollbekommt.

Weitaus klüger wäre es gewesen, die Richterin hätte sich zuvor beispielsweise ein Gutachten besorgt. So erfahren wir im “Tagesspiegel“:

Nadjma Yassari vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, eine Expertin für die Anwendung islamrechtlicher Normen an deutschen Gerichten, sagte: „Selbst wenn beide Ehepartner Marokkaner sind und in Deutschland nach marokkanischem Recht geschieden würden, hätte die Richterin unrecht. Das erst kürzlich reformierte marokkanische Familienrecht ist eines der modernsten Nordafrikas. Ein Recht des Mannes auf Züchtigung der Ehefrau ist dort nicht verankert."


Aber ob sich diese Erklärung gegen den momentan gebildeten Konsens a la „Deutsche Richterin erlaubt Züchtigung in der Ehe“ und „Deutschland droht die Scharia“ durchsetzen kann? Ehrlich gesagt sehe ich da nicht die Spur einer Chance.