Die Islamophoben werden den Muslimen Guantanamo niemals verzeihen
Ein beliebtes Zitat des israelischen Psychoanalytikers Zwi Rex lautet: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz niemals verzeihen.“ Der Gedanke dahinter ist, dass jeder überlebende Jude bei (laut Zwi Rex) „den Deutschen“ Erinnerungen an „ihre“ Verbrechen und damit Aggressionen in Form eines sekundären Antisemitismus auslöse. Während Rexens Kollektivierungen hirnrissig sind, ist der Grundgedanke seiner These nachvollziehbar.
Bemerkenswert ist, dass sich dieser Prozess derzeit in ähnlicher Weise bei den Islamophoben abspielt. Der Muslim, der von deutschen Islamophoben derzeit am lautesten gehasst wird, ist bezeichnenderweise nicht Osama bin Laden, sondern Murat Kurnaz. Dessen Verbrechen bestand darin, fünf Jahre lang unschuldig in einem amerikanischen Folterlager gefangengehalten worden zu sein. Dafür wird er in Webblogs wie „Politically Incorrect“ gerne als „Bazille“, „Abschaum“ oder „Parasit“ bezeichnet; und bei der „Achse des Guten“ singt man zu Guantanamo nur noch höhnisch den Song „Guantanamera“, so wie einige Rechte über die Lager der Nationalsozialisten gerne fröhliche Spottlieder singen. Wenn so mancher realisiert, dass die Leute, die er über alles verehrt, in Wahrheit monströse Folterknechte sind, dann scheint für ihn die einzig sinnvolle Flucht in einem menschenverachtenden Hass auf die Opfer zu bestehen. Das gesamte Gefasel von „Wir hassen nur deshalb den Islam, weil uns die Menschenrechte so am Herzen liegen“ fällt bei solchen Passagen regelmäßig in sich zusammen.
Inzwischen hat sich auch der Springer-Journalist Alan Posener zu denen gesellt, die gegen das Folteropfer Kurnaz gerne noch ein wenig nachtreten. Das Blog “Schieflage“ analysiert Poseners Beitrag treffend und landet bei einigen zentralen Fragen:
Was will Posener also erreichen mit seinem Text? Er kann Kurnaz' Schilderungen nicht widerlegen, fährt ihm jedoch mächtig an die Karre. Warum? Was hat er gegen Kurnaz? Oder hasst es Posener, dass man Kurnaz nichts nachweisen kann? Hasst er rechtsstaatliche Methoden und wünscht sich eine Lynchjustiz, die jemanden auf puren Verdacht hin bestraft, wenn derjenige irgendwie nach Terrorist "riecht"?
Für wahrscheinlicher halte ich, dass hier genau jene Parallele zum sekundären Antisemitismus vorliegt, von der ich oben gesprochen habe. Das Opfer wird gehasst, weil es ein Opfer ist.
Auf dem amerikanischen Buchmarkt ist der bekannte Psychologe Philip Zimbardo gerade sehr erfolgreich mit seinem Buch ”The Lucifer Effect: Understanding How Good People Turn Evil”. Zimbardo sieht einen großen Teil der Verantwortung für Untaten, wie sie etwa auch in Abu Ghraib vorgekommen sind, in dem System, das solche Verhältnisse gebiert - und in seinen Architekten bis hinauf zu George Bush. Auch so einige deutsche Blogger und Journalisten könnten als gute Beispiele für Zimbardos Thesen dienen.
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