"Zerreißt es die Schweiz?"
Der STERN berichtet darüber, welche Folgen das Debakel der letzten Woche für die Schweiz hat. Einige Auszüge:
Manche belassen es bei den niedlichen Papptürmchen, andere bauen meterhohe Minarette mit einem Halbmond auf der Spitze. Diese Kunstwerke sind bei den "Mahnwachen" zu bestaunen, kleineren Menschenansammlungen, die seit der Abstimmung täglich in allen Landesteilen gegen das Verbot demonstrieren. Zehntausende Schweizer, die nicht vor die Tür gehen, solidarisieren sich in Leserbriefen, auf Facebook und in Blogs mit der Anti-Anti-Minarett-Bewegung. Sie schreiben, dass sie sich schämen Schweizer zu sein und sorgen sich um das Image des Landes. Aber es gibt auch die anderen, die sich eher radikalisieren, weitere Verbote fordern, die Muslime in der Schweiz nun erst recht verdrängen wollen. (…)
Verzweifelt versucht die Schweizer Regierung die Wogen zu glätten, die vor allem bei den vormals hofierten Geschäftsfreunden in den muslimisch geprägten Ländern hoch schlagen. Fast täglich sind Erklärungen zu hören, die besänftigen sollen ohne die Abstimmung gänzlich in Frage zu stellen. Den Erzkonservativen ist selbst das zu viel, sie schimpfen über die "Entschuldigungs-Diplomatie". Roger Köppel, Chefredakteur der "Weltwoche", der zwischen 2004 und 2006 in Deutschland für Axel Springers "Welt" gearbeitet hatte, stellte in der Ausgabe vom vergangenen Donnerstag einen modernen Pranger auf: Auf der Titelseite zeigte er Politiker, Rechtsprofessoren sowie den Theologen Hans Küng und denunzierte sie als "Totengräber der Demokratie". Diese Menschen hatten es gewagt, daran zu zweifeln, dass das Minarett-Verbot überhaupt rechtlich durchsetzbar sei.
(…) Wie auch immer die juristische Beurteilung des Minarett-Verbots ausgehen mag: Die Schweizer fürchten sich weniger vor einer Entscheidung in Lausanne als vor einer Entscheidung in Straßburg. Dort sitzt nämlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Das Gefühl, dass nach der dröhnenden Kritik aus dem Ausland nun auch noch das Ausland über die Schweiz zu Gericht sitzt – zu viel der Demütigung, zu viel der Globalisierung.
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