Alan Posener: "Broder und Weinthal geben Deutschlands Rechter koscheres Gütesiegel"
Alan Posener schreibt im britischen Guardian über deutschen Revisionismus und wählt passende Beispiele. Ich übersetze mal eben die entscheidenden Passagen:
Dieses Jahr ist etwas Neues passiert: Jüdische Autoren haben sich in der Auseinandersetzung der Seite der Revisionisten angeschlossen. In der israelischen Zeitung Ha'aretz schrieb der in Berlin lebende New Yorker Benjamin Weinthal, dass "die Erinnerung an die Shoah in Deutschland inzwischen einer Form von Zwangsneurose ähnelt". Und im Berliner "Tagesspiegel" startete Broder einen bösartigen Angriff auf "Jammerjuden, die in jeder Talkshow erzählen, wie viele Angehörige sie im Holocaust verloren haben und wie sehr sie sich heute vor der NPD fürchten" (der deutschen Nazi-Partei). Broders Angriff ist für die in Deutschland lebenden Juden um so schockierender, als er selbst eine Karriere daraus gemacht hat, alles anzugreifen, was er als Deutschlands "ewigen" Antisemitismus wahrnimmt, eine Karriere, die natürlich hunderte von Talk-Show-Auftritten beinhaltete.
Wie kam es dazu? Es scheint, dass Broder das Opfer seiner eigenen Vorurteile gegen den Islam geworden ist. Das hat ihn dazu geführt, einige abstoßende Elemente zu verteidigen, beispielsweise den holländischen Populisten Geert Wilders, den Broder als "Radikalliberalen" bezeichnet. Das Mainstream-Judentum andererseits hat immer eine Hand zu der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland ausgestreckt, weil es zu Recht spürte, dass Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Islamophobie natürliche Bundesgenossen des Antisemitismus sind, auch wenn einige radikale Moslemhasser wie Geert Wilders sagen, sie liebten Israel, "weil es islamischen Terrorismus bekämpfe" (vermutlich einer der übelsten vorstellbaren Gründe, den jüdischen Staat zu lieben).
(…) Was sowohl Broder als auch Weinthal im Endeffekt sagen, ist: Angesichts von Millionen Muslimen, die Unterwerfung fordern, Deutschland erwache, hör auf damit, dich wegen deiner Vergangenheit zu geißeln, hör auf, den "Jammerjuden" zuzuhören und schließe dich dem Kreuzzug gegen den Islam an.
Es ist leicht zu sehen, wie diese Botschaft viele Deutsche anspricht, die begierig sind, sich ihrer Verantwortung dafür zu entwinden, das Gedenken an den Holocaust aufrechtzuerhalten – vor allem, weil sie ihnen erlaubt, in Fremdenfeindlichkeit gegenüber Muslimen zu schwelgen und sich gleichzeitig gut dabei zu fühlen. Schließlich haben sie jetzt ein koscheres Gütesiegel erhalten.
Damit formuliert Posener ähnliche Gedanken, wie ich das gestern etwas schnoddriger in meinem Blog getan habe. Bezeichnend ist, dass er offenbar auf eine englische Zeitung ausweichen musste, um derlei Entwicklungen ansprechen zu können. Wollte die "Welt" diesen Artikel nicht oder wollte Posener diesen Artikel nicht in der "Welt" stehen haben?
Wie dem auch sei: Aus meiner Perspektive kann ich Posener zu seiner Klarsicht und seiner Integrität bei diesem und ähnlichen Artikeln jedenfalls nur beglückwünschen. Früher selbst einmal ein Mitglied der "Achse des Guten" ist er dort ausgestiegen, sobald er merkte, was für ein schäbiges Spiel dort mittlerweile gespielt wird. Wenn man aus den Erfahrungen der vergangenen Wochen weiß, dass sich inzwischen jeder, der sich gegen Islamophobie ausspricht, zur öffentlichen Zielscheibe macht, gebührt Alan Posener Hochachtung für seine deutlichen Worte.
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