Perfider geht es nicht: Wie Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie tabuisiert werden sollen
Einen sehr ausführlichen, aber grenzgenialen Beitrag zu der aktuellen Kampagne gegen alle, die die Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie klar benennen (wobei insbesondere Wolfgang Benz zur Zielscheibe geworden ist) liefert Mathias Brodkorb bei "Endstation Rechts". Vieles, was ich in diesem Blog über Islamophobie und in meinen Analysen über Antisemitismusvorwürfe als politische Waffe geschrieben habe, bringt Brodkorb besser auf den Punkt, als ich das je könnte. Klare Leseempfehlung also für alle, die sich gerne etwas Zeit zum Denken nehmen. Die anderen mögen bitte weiterscrollen, im Netz gibt es leicht verdauliches Fast Food genug.
Einige zentrale Gedanken aus Brodkorbs sehr differenziertem Text:
Und dann löst der von Horkheimer und Adorno formulierte Imperativ eine universelle Dynamik aus, dessen Opfer nun ausgerechnet der deutsche Antisemitismusforscher Nr. 1 geworden ist. Denn selbstverständlich bezogen Horkheimer und Adorno ihren Appell nie engherzig auf die Juden. Es ging also nie "nur" darum, einen weiteren Holocaust gegen die Juden, sondern fortan jegliche in der Moderne schlummernden Formen menschlicher Barbarei zu verhindern. Diesen Imperativ nimmt Wolfgang Benz offenbar ernst.
(…) Für Benz lassen sich im "Feindbild Islam" genau an zwei Stellen derartige Strukturähnlichkeiten finden. Zunächst sei hier wie im Antisemistismus der Mechanismus der falschen "Verallgemeinerung" am Werk. Sodann mische sich dieser außerdem mit negativen wie fiktiven Gerüchten über die Betroffenen. (…) Offenbar bringt die Tatsache, dass Benz seine Thesen erneut an prominenter Stelle geäußert hat, seine Kritiker erst richtig zum Kochen. Daher wird eine schärfere Gangart eingelegt. Auf dem nach eigenen Angaben größten jüdischen online-Magazin in deutscher Sprache hagalil.com verunglimpft Ulrich W. Sahm die Thesen Benz' als "ungeheuerliche, geradezu antisemitische Hetze". Der Rechtsextremismusforscher Clemens Heni will Benz des "sekundären Antisemitismus" überführen und der Berufspolemiker Henryk M. Broder hält ihn in Sachen Judentum einfach für völlig ahnungslos. Denn der Unterschied zwischen dem Antisemitismus und der Islamophobie sei ja gerade der, dass Ersterer bloß "auf hysterischen Ängsten, Erfindungen, Projektionen und Neidgefühlen" beruhe, während die Islamkritik "eine reale Basis" habe, "die jedes Vorurteil über die dem Islam innewohnende Toleranz in ein gefestigtes Urteil" verwandle - eine These, für die Broder nun auch Unterstützung vom deutsch-jüdischen Historiker Michael Wolffsohn erhalten hat.
Das also soll der Unterschied sein: Während Antisemiten keinerlei Kontakt zum Planeten Erde aufwiesen, stünden die Islamkritiker mit beiden Beinen in der Realität des islamistischen Terrorismus. Wenn Broder allerdings meint, Benz "Ahnungslosigkeit" im Hinblick auf das Judentum attestieren zu müssen, so wird er dieses Kompliment schließlich für sich selbst mit Blick auf den nationalsozialistischen Antisemitismus akzeptieren müssen. Denn auch die NS-Ideologie lebte keinesfalls ausschließlich und nicht einmal in erster Linie von mittelalterlich verbürgten Abstrusitäten wie der These von den "Brunnenvergiftern" oder "rituellen Kindstötern". Ganz im Gegenteil: Der nationalsozialistische Antisemitismus bediente sich bei der Konstruktion seines Weltbildes umgekehrt vielmehr verschiedener Erfahrungen, die er allerdings - und das ist eben das entscheidende - in abstruser und unzulässiger Weise im Rahmen einer Sündenbocktheorie verallgemeinerte.
(…) Auch der Antisemitismus ist im Kern durch eine Kollektivschuldthese, also das Inhaftungnehmen aller Mitglieder einer Gruppe für die Taten Einzelner, wesentlich charakterisiert. (Es) liegt dem Antisemitismus wie der Islamophobie eine unzulässige Verallgemeinerung zugrunde, die Benz getreu dem Motto "Wehret den Anfängen!" bereits in einem frühen Stadium und nicht erst nach einer historischen Eskalation eindämmen will. Es mag also sein, dass Muslime Attentäter sind, doch dies rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass alle Muslime Attentäter sind. Und genau um diese falsche und vorschnelle Verallgemeinerung geht es Benz: "Die unterschwellig bis grobschlächtig praktizierte Diffamierung der Muslime als Gruppe durch so genannte 'Islamkritiker' hat historische Parallelen. Derzeit wird der Islam gedanklich mit Extremismus und Terror verbunden, wodurch alle Angehörigen der islamischen Religion und Kultur mit einem Feindbild belegt und diskriminiert werden sollen."
(…) Die Islamophobie ist dabei - eben im Unterschied zur Islamkritik - genau wie der Antisemitismus dadurch gekennzeichnet, dass ein nicht-empirisches Terror-Wesen aller Muslime unterstellt wird. Jedwede Tendenz zur "Zivilisierung" muss demnach als taktisch motivierte Anpassungsleistung an den westlichen Zeitgeist erscheinen, um sich im günstigsten Augenblick erst recht in die Luft zu jagen.
(…) Wenn es nach Auschwitz unsere Pflicht ist, eine mögliche Wiederholung der blanken Barbarei zu verhindern, so wird man kaum begründen können, dass Horkheimer und Adorno damit nicht auf alle Menschen, sondern allein auf Juden abgezielt hätten.
(…) Längst wird in der Auseinandersetzung nicht mehr nur und ausschließlich mit sachlichen Argumenten ein Meinungsstreit ausgetragen. "Tatsächlich erfahre ich keine fachliche Kritik und bekomme wissenschaftlich sehr viel Zuspruch. Aber als Person schlägt mir ein ganz unglaublicher Hass entgegen", äußert sich Benz fast resigniert in einem aktuellen Interview mit der BZ. Er soll nicht mehr nur in der Sache widerlegt, sondern als "Hetzer" (hagalil) und "sekundärer Antisemit" (Achse des Guten) mundtot gemacht werden.
Kurz: Einen Mann wie Wolfgang Benz, der verhindern möchte, dass andere Menschen als Juden Opfer einer entsetzlichen Barbarei werden, versucht man zum Schweigen zu bringen, indem man ihm "antisemitische Hetze" unterstellt. Perfider geht es nicht. Um so bemerkenswerter ist es, dass sich die selbsterklärten "Freunde der Meinungsfreiheit" für Wolfgang Benz eben nicht in die Bresche werfen. Denn Meinungsfreiheit war ihr eigentliches Anliegen nie.
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