Geschlechtergerechtigkeit: Die Linken sind die neuen Konservativen
Beharrlich versucht die dogmatische Linke mit geballter Macht, etliche liberale Linke (wie mich) und zahllose Ex-Linke, die an einer vernünftigen Geschlechterpolitik interessiert sind, ins konservative Lager rüberzutreiben. Diese Beobachtung teilt Dr. Matthias Stiehler vom Vorstand des Dresdner Institut für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft, dessen offener Brief mich gerade über den Newsletter des Berliner Männerrats erreichte:
Liebe Männer vom Männerrat,
nachdem mein Offener Brief an Thomas Gesterkamp publik wurde, bat mich ein Redakteur der TAZ, einen Artikel zu den von mir angesprochenen Punkten zu schreiben, was ich dann auch tat. Daraufhin meldete sich eine Redakteurin der TAZ mit den Worten, dass es so nicht gehe. Natürlich sei die TAZ bereit, eine offene Diskussion zu führen, aber dann solle ich genau darlegen, worin ich die Diskriminierung von Männern sehe. Da sei sie sehr gespannt. Mein Hinweis, dass ich gar nicht behaupte, Männer würden an sich diskriminiert, sondern dass ich dafür plädiere, Ungerechtigkeiten auf allen Seiten möglichst ideologiefrei anzuschauen, begegnete sie mit der Aussage, „Wir sind uns doch einig, dass wir in einem Patriarchat leben". Daraufhin erwiderte ich, dass das genau der Konservativismus ist, von dem ich in dem Artikel schreibe. Und ich beschloss, mir die Mühe einer Überarbeitung des Artikels nicht zu machen. Es wird vermutlich soundso zu nichts führen. Stattdessen bitte ich Sie, den ursprünglichen Text in Ihren Newsletter aufzunehmen und so zu veröffentlichen:
Die Linke und die Geschlechtergerechtigkeit
Bei einer Tagung zu Geschlecht und Gesundheit antwortete eine der Fachfrauen auf die Frage, warum sich die geschlechtsspezifische Gesundheitssituation so wenig entwickle, dass es sich hier um eine Machtfrage handelt. Und da in unserer Gesellschaft die Männer die Macht hätten, könne sich die Frauengesundheit nur mühsam entwickeln. Das Problematische an dieser Aussage war, dass ich kurz zuvor in einem Vortrag nachgewiesen hatte, dass es um die Männergesundheit mindestens ebenso schlecht bestellt ist, ja sich die wesentlichen Eckdaten bei Männern im Gesundheitsbereich deutlich schlechter darstellen und die Politik diese Fakten beharrlich ignoriert.
Bemerkenswert an dieser Episode ist zweierlei. Zum einen war diese ausgewiesene Fachfrau von ihrer Antwort wirklich überzeugt. Soweit ich das einschätzen konnte, handelte es sich um keine bewusste Polemik. Zum zweiten zeigt sich hier beispielhaft die Selbstverständlichkeit, mit der über Jahrzehnte geronnene Positionen vertreten werden, ohne sie auch nur einer intellektuellen Anfrage zu öffnen. Dies gilt in besonderer Weise für die Geschlechterfrage und insbesondere für die Linken in unserem Land.
Die geschlechtsspezifische Gesundheitsdiskussion macht auf diese Situation aufmerksam, weil sie mit leicht nachprüfbaren Fakten arbeitet und damit sperrig gegenüber ideologischen Gewissheiten ist. Aber es ist keinesfalls nur eine Frage der Gesundheit. Ich möchte die Frage, um die es mir geht, so formulieren: Was ist eigentlich mit der Linken los, wenn Männer, die auf problematische Seiten ihrer Situation aufmerksam machen, bei ihr auf massive Widerstände stoßen? Es trifft sie Hohn („Ach, die Ärmsten!"), Denkverbote (Volker Beck, Bundestagsabgeordneter der Grünen, wischte beispielsweise die Frage nach gesellschaftlichen Benachteiligungen von Männern auf einer Tagung seiner Partei zur Männergesundheit im Frühjahr 2008 mit der Bemerkung beiseite, das wäre ein „Imitieren der Frauenbewegung" und „Opferkonkurrenz") und Diffamierung (das sei „Geschlechterkampf von rechts", so die Friedrich-Ebert-Stiftung). Männer, die sich sachlich oder polemisch der Frage nach Ungerechtigkeiten gegenüber Männern stellen, werden heute ebenso abgetan, wie die Aktivistinnen der Frauenbewegung vor mehreren Jahrzehnten. Nur dass damals noch die Konservativen die Konservativen waren. Heute sind es die Linken.
Dabei geht es mir wirklich nicht darum, Männer nun als Opfer der gesellschaftlichen Zustände zu stilisieren. Auch möchte ich keinesfalls in Abrede stellen, dass es nach wie vor Benachteiligungen von Frauen in unserer Gesellschaft gibt. Was ich vielmehr möchte ist, dass die Debatte zur Geschlechtergerechtigkeit in unserem Land neu geführt wird. Es ist eine Gerechtigkeitsdebatte. Und wer sollte die besser führen können als die Linke, deren Basis das Eintreten für Gerechtigkeit ist. Das Problem scheint nur zu sein, dass Gerechtigkeit als statisch angesehen wird, als ein Konstrukt, in dem die einen Gruppen grundsätzlich benachteiligt, andere ebenso grundsätzlich bevorteilt sind. Das führt dann dazu, dass regelmäßig Fakten umgedeutet, ignoriert oder zumindest bagatellisiert werden. Im Ergebnis wird ein offener Diskurs zu Geschlechtergerechtigkeit abgelehnt.
So ist natürlich auffällig, dass die durchschnittliche Gehaltsdifferenz zwischen Frauen und Männern als das Beispiel der Benachteiligung von Frauen gesehen wird. Die in diesen Zahlen enthaltenen wirklichen Benachteiligungen von Frauen werden jedoch ebenso wenig herausgestellt wie die ebenso enthaltenen Vorteile, die bei differenzierter Analyse auch dieser Statistik deutlich werden. - Ich ahne schon, was allein dieser Satz an Polemik hervorrufen wird. Dabei muss es doch Ursachen geben, warum Frauen im Schnitt fast sechs Jahre länger leben, und die hängen natürlich auch mit der Arbeitssituation zusammen. In einer individualisierten Gesellschaft müssen sich auch die Problemlagen differenzierter darstellen. Und es ist zugegebenermaßen anstrengend, sich dieser Differenzierung immer wieder neu zuwenden zu müssen. Da fällt es leichter, in festgefahrenen Schemen zu verharren und damit das vermeintlich linke Weltbild aufrechtzuerhalten. Die Pfründe des Feminismus sind daher auch weniger die vielen Stellen, die es in unserem Land für Gleichstellungspolitik gibt und die fast ausschließlich von Frauen besetzt sind. Die sehe ich vielmehr in der ideologischen Festigkeit, mit der diese Frauen zumeist überzeugt sind, das Verhältnis der Geschlechter ein für allemal verstanden zu haben. Und sie sind damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Der Preis ist ein linker Konservativismus, der sich zum Beispiel dadurch zu rechtfertigen versucht, dass Männer und Frauen, die für Männerrechte eintreten, gleich als rechtslastig pauschalisiert werden. Dabei wird die Grenze zwischen rechts und rechtsextrem in einer unlängst erschienenen Schrift der Friedrich-Ebert-Stiftung gefährlich verschwommen dargestellt. Ich möchte nicht einmal bestreiten, dass es hier und da rechtsextreme Tendenzen in der Männerszene geben mag. Doch die sind nicht wirklich relevant. Wichtiger ist, dass zumindest die institutionalisierte Linke und hier insbesondere die Parteien (SPD, Grüne, Linke) den Diskurs zur Geschlechtergerechtigkeit ideologisieren und sich damit einer immer wieder neu zu führenden, offenen Diskussion verweigern. Das ist weniger ein Sieg der Rechten als mehr eine Niederlage der Linken. Um auch hier wieder ein Beispiel aus der mir vertrauten Männergesundheitsdebatte zu nennen: Während sich das SPD geführte Bundesgesundheitsministerium über sieben Jahre hinweg standhaft weigerte, einen Männergesundheitsbericht in Auftrag zu geben und dabei die Argumente noch vor eineinhalb Jahren völlig drehte, nur um bei seiner Ablehnung bleiben zu können, wird nun unter FDP-Führung ein Männergesundheitsbericht erstellt. Es gab all die Jahre keine Sachgründe, den Männergesundheitsbericht zu verweigern. Es war allein einer festgefahrenen Geschlechterideologie einer SPD-Ministerin geschuldet. - Ich gebe zu, dass mir das, da ich mich als Linken verstehe, keinen Spaß macht.
Dr. Matthias Stiehler
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