Moshe Zimmermann: "Die Angst vor dem Frieden"
Durch eine Rezension in der Frankfurter Rundschau war ich auf das Buch Die Angst vor dem Frieden des israelischen Historikers Moshe Zimmermann (Leiter des Richard-Koebner-Zentrums für deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem) aufmerksam geworden – ein Buch, das sich als eine wirklich aufrüttelnde Analyse herausstellte. Während man aus unseren Medien nur bruchstückhafte und sehr zurückhaltende Informationen über bedenkliche Entwicklungen innerhalb Israels erhält, zeichnet Zimmermann auf 150 Seiten ein so deutliches und unverblümtes Bild der Zustände in diesem Land, dass man sich schon fast wundert, wie dieses Buch hierzulande überhaupt veröffentlicht werden konnte. Ginge man nach den Kategorien, die man normalerweise auf politische Systeme anlegt, handelt es sich bei Israel Zimmermanns Beschreibung zufolge inzwischen um einen massiv rechtsradikal ausgerichteten Staat. Die Worthülse von der "einzigen Demokratie im Nahen Osten" kommt einem im Verlauf der Lektüre immer mehr wie Hohn vor.
Zimmermann erklärt in seinem Buch zunächst, wie und warum Israel in den letzten Jahren immer fundamentalistischer, militaristischer und gegenüber jeglichen Friedensbestrebungen immer unzugänglicher wurde. Er schildert das Vorgehen der wesentlichen Protagonisten (etwa Medien, Siedler, Hügeljugend und Militär) und ihre zunehmende Radikalisierung und erklärt, wie sich diese Radikalisierung gegen jene wendet, die er als "Israels Geiseln" betrachtet: die Diasporajuden, den Westen und das Gedächtnis an den Holocaust. Dabei wird en passant deutlich, wie der wachsende, oft religiös begründete Hass vieler Israelis auf sämtliche Araber und Muslime von ebenso israelfreundlichen wie massiv rechtslastigen Journalisten und Bloggern im Verlauf der letzten Jahre in den Westen "importiert" wurde.
Beim Lesen dieses Buches wird auch nachvollziehbar, wie dieselben Journalisten und Blogger auf jegliche angemessene Kritik am israelischen Verhalten praktisch nur noch reagieren können, indem sie die Kritiker als "Antisemiten" zu verleumden suchen: Eine Auseinandersetzung auf Sachebene können die Verteidiger der herrschenden Zustände nicht mehr gewinnen! Zimmermann selbst erklärt hier unumwunden, "dass gegenwärtig in Israel jegliche Kritik als Antisemitismus ausgelegt wird. (…) Ein anständiger Mensch muss demnach – so verlangt es die israelische Grundhaltung – jede Kritik an Israel vermeiden, wenn er nicht als Antisemit gelten möchte. Diese Erwartungshaltung wird insbesondere Menschen in Deutschland entgegengebracht." Darüber hinaus werde vor allem dem politischen Gegner, also Muslimen und Linken, die Schuld am Erstarken des Antisemitismus gegeben und dieser somit ideologisch instrumentalisiert. Zimmermann betrachtet dieses Vorgehen als "Missbrauch" und darüber hinaus als einen Bärendienst, wenn es um die Bekämpfung echter Judenfeindschaft gehe – denn dort, wo tatsächlich Israelkritik von Antisemitismus durchsetzt ist, werde das nicht mehr angemessen wahrgenommen: "Da es zu einer konstanten Taktik Israels geworden ist, Kritik an Israel als Antisemitismus zu bezeichnen, besteht die Gefahr, dass auch dann, wenn die antiisraelische Haltung tatsächlich in eine antisemitische Variante (…) übergeht, (…) die Weltöffentlichkeit nicht wachsam genug reagiert."
Insgesamt öffnet Zimmermanns mutiges Buch also nicht nur den Blick auf die erschreckenden Entwicklungen innerhalb Israels, sondern auch auf viele schiefe Diskussionen, die in unserem eigenen Land geführt werden.
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