"Männer sind keine Gesundheitsidioten"
"Endlich: Der Männergesundheitsbericht ist da" freut sich Florian Rötzer heute auf Telepolis. In den ersten Absätzen heißt es:
Fast 10 Jahre nach dem Frauengesundheitsbericht kann nun auch das vernachlässigte Geschlecht lesen, wie und warum es von "Wissenschaft, Politik und Krankenkassen" oder vielleicht gar von den Frauen diskriminiert wurde. (...) Nachdem schon 2001 ein Bericht zur gesundheitlichen Situation der Frauen in Deutschland erschienen ist, kommen nun, 10 Jahre später, die Männer in den Genuss, über ihre körperliche und psychische Befindlichkeit aufgeklärt zu werden.
In der Tat ist das Fehlen einer solchen staatlichen Studie für Männer analog zum Frauengesundheitsbericht seit langem ein zentrales Anliegen der Männerrechtsbewegung. Es bedurfte der privaten Initiative von Dr. Matthias Stiehler von der deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit und seinen Mitstreitern, eine solche Untersuchung durchzuführen. Mehrere Medien bis hin zur "Tagesschau" griffen diesen Report inzwischen auf; in vielen Zeitungen ist er heute sogar das Titelthema auf Seite 1. Häufig ist in den Artikeln und Kommentaren allerdings noch immer die bekannte Sichtweise zu finden, der zufolge Frauen vernachlässigt werden, wenn es um ihre Belange geht, Männer aber selbst an ihrer Situation schuld sind.
"Familienministerin will Männer vor sich selbst retten" lautet so auch eine typische Schlagzeile der "Welt" mit der gewohnten Botschaft: Edle Frau, dumme Männer. Wer aber seine Würgereize beim Lesen solcher Schlagzeilen mannhaft unterdrückt, stößt auf einen durchaus brauchbaren Artikel. Ein Auszug:
Der insgesamt schlechte Zustand der männlichen Gesundheit ist aber nicht allein die Schuld der Männer. Therapie- und Vorsorgeangebote müssten stärker auf Männern ausgerichtet sein. Sie gingen viel zu oft an ihren Bedürfnissen vorbei und so verdrängten Männer ihre körperlichen und seelischen Beschwerden, lautet die Quintessenz der Gesundheitsforscher. Die Folge: Sie suchen sich keine Hilfe.
Die Studie zeige, „dass Männer nicht die Gesundheitsidioten sind, als die sie immer dargestellt werden. Es ist vielmehr die gesellschaftliche Sicht auf Männer, die sich ändern muss, und daran müssen die Männer natürlich selbst mitarbeiten“, sagt Matthias Stiehler von der Gesellschaft für Mann und Gesundheit und Mitherausgeber des Gesundheitsberichts. Er fordert: „Männer, nehmt Eure Krisen ernst – die körperlichen, wie die seelischen.“
Viele Aspekte, die jetzt endlich klar benannt werden (bei Männern häufig übersehene Depressionen, das wesentlich größere Unfalls- und Verletzungsrisiko in Männerberufen usw.) hatte ich bereits 2001 ausführlich in meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" behandelt – ein Buch, für das ich zwar von vielen Feministinnen mit größter Schärfe angefeindet wurde, das damals aber leider zu keinem großen Umdenken in Politik und Medien führte. Nur einige Absätze aus einem längeren Kapitel (Quellenangaben im Buch):
(...) Insofern überrascht es nicht, wenn deutsche Mediziner auf die Notwendigkeit eines "Männerarztes" hinweisen, analog zum Frauenarzt, der die Angehörigen des weiblichen Geschlechts von der Jugend bis ins Alter regelmäßig betreut, untersucht und behandelt. Eine solche Institution fordern auch die Wiener Hormonforscher Meryn und Metka: "Der Mann ist bisher bei allen Überlegungen, die das Alterwerden, die Verlängerung der Lebensspanne und die Verbesserung der Lebensqualität betrifft, von der Medizin nachlässig behandelt worden. Der medizinische Fokus war vielmehr auf das weibliche Geschlecht konzentriert."
Diese Schieflage wurde bis heute nicht einmal wahrgenommen. Auch als der Mediziner Hans-Udo Eickenberg darauf hinwies, dass "der Wissensstand über den männlichen Körper im Vergleich zur Frauenforschung um rund dreißig Jahre" zurückliege, war das der Presse kaum einige Zeilen wert. Generell hat man es hier offensichtlich mit der althergebrachten Einstellung zu tun, dass Männer gefälligst lernen sollen zu leiden, ohne zu klagen. Dadurch, dass sie ihre Probleme herunterschlucken, entstehen aber gerade die in diesem Kapitel größtenteils angesprochenen Leiden wie Depressionen, Krebs, Herzkrankheiten, Süchte und eine Neigung zum Selbstmord - die wiederum immer noch nicht als typische Männerkrankheiten in unserem Bewusstsein verankert sind.
"Wir brauchen dringend eine Männerbewegung", urteilt daher der Bielefelder Soziologe Klaus Hurrelmann, der sich speziell mit dem frühen Sterbealter von Männern auseinander gesetzt hat. Wenn Frauen aufgrund gesundheitlicher Probleme, die vermeidbar und letztlich gesellschaftlich bedingt sind, sieben Jahre früher sterben würden, gäbe es einen Aufschrei in der Medienlandschaft, der jedes andere Thema auf die hinteren Plätze verweisen würde. Sind Männer in dieser Position, sieht es anders aus: Im August 2000 beschlossen die Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, eine speziell auf Frauen eingerichtete Gesundheitsvorsorge weiter zu fördern.
Danach wurde die desaströse Gesundheitssituation für Männer noch einmal knapp zehn Jahre stur ignoriert. (Was vielleicht daran lag, dass weder das Gesundheits- noch das Familienministerium männlich dominiert waren.)
Dr. Matthias Stiehlers grandioses Buch "Der Männerversteher" habe ich hier für Amazon besprochen. Hier wendet sich Dr. Stiehler in einem offenen Brief an den feministischen Ideologen Thomas Gesterkamp, der dieses Jahr versuchte, die Männerrechtsbewegung in die rechtsradikale Ecke zu schieben. Und hier landete ein Artikel Stiehlers, den sich die Berliner "taz" zu veröffentlichen weigerte.
Der Männergesundheitsbericht kostet jeden Interessierten 30 Euro. Den Frauengesundheitsbericht kann man sich selbstverständlich kostenlos im Interet herunterladen.
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