Bascha Mikas "Die Feigheit der Frauen" enttäuscht
Bascha Mika ist sicher eine der schillernderen Figuren in der deutschen Geschlechterdebatte. 1994 wurde ihr der EMMA-Journalistinnenpreis verliehen. 1998 veröffentlichte sie über Alice Schwarzer eine kritische Biographie, die Schwarzer für Wochen auf die Palme brachte. Bis zum Jahr 2009 fuhr sie als Chefredakteurin der "taz" eine stramm sexistische Linie: Den Anliegen des weiblichen Geschlechts wurde breiter Platz gewidmet, denen des männlichen so gut wie keiner. Und wenn sie mit einem Vertreter der neuen Männerbewegung wie dem MANNdat-Vorsitzenden Dr. Eugen Maus diskutiert, kommt sie um Herabsetzungen wie "Jammerlappen" nicht herum.
Da ist es hochironisch, dass die ersten paar Dutzend Seiten von Mikas neuem Buch selbst eine gewaltige Jammerarie darstellen, schier endlos redundant und nur hin und wieder unterbrochen durch längere Passagen im Stil einer Erweckungspredigerin, so dass man fast dazu mitgerissen wird, "We shall overcome" zu singen. Das Ganze spitzt sich zu in lustigen Behauptungen wie "Deutschland ist in Sachen Emanzipation finsteres Entwicklungsgebiet." So kann man es natürlich auch sehen, das Land der hunderte Millionen schwere Frauen- und Mädchenförderprogramme, Intensivpraktika an Hochschulen, Mentorinnenprogrammen, Förderungen von Frauenkommunikationszentren, Internetplattformen für Mädchen und Frauen, dem "Girls’ Day", Mädchenwerkstätten, Frauenuniversitäten, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, Frauenstudien, Frauencafés, Mädialen (Kulturveranstaltungen nur für Mädchen), Mentorinnenprogrammen, Mädchenspielplätzen und Frauenfriedhöfen, Mädchen-Techniktagen, Ladies-Weekends, Mädchen IT-Offensiven und einem milliardenschweren Gender Mainstreaming. Finsteres Entwicklungsgebiet – klar. Ähnlich komisch wird Mika, wenn sie behauptet: "Unser politischer Einfluss ist lächerlich, unser ökonomisches Drohpotential der reine Witz und unsere gesellschaftliche Durchsetzungskraft geringer als die jeder Bürger Initiative gegen ein Bahnhofsumbau." Das behauptet Mika allen Ernstes über eine Gesellschaft, in der nicht nur die Mehrzahl der Wähler und Konsumenten weiblich ist, sondern Frauen über eigene Ministerien verfügen, jede Partei einen frauenpolitischen und keine einzige einen männerpolitischen Sprecher besitzt, Feministinnen und nicht Männerrechtler bei der Geschlechterdebatte die Wortführer in den Medien sind und was man hier alles mehr anführen könnte.
Wo für Mika Frauen die ewigen Opfer sind, sind Männer die ewigen Täter. "Männer haben uns Frauen ausgetrickst und abgewatscht", stachelt sie auf, "mit falschen Versprechen gelockt und mit Kind und Küche alleingelassen. Sie kassieren die höheren Löhne, bestimmen die politische Agenda, haben jede Menge gläserner Decken eingezogen und lassen uns gekonnt auf dem Spielplatz stehen." Immer wieder brechen Phrasen hervor, die original aus Pamphleten der siebziger Jahre stammen könnten: "Wir sind Geiseln, die gelernt haben, ihre Geiselnehmer zu lieben." Unweigerlich fühlt man sich erinnert an die Gassenhauer von Uralt- Feministinnen wie Ti-Grace Atkinson ("'Liebe' ist die natürliche Reaktion eines Opfers auf seinen Vergewaltiger.") Männer sind in diesem Weltbild böse, Frauen, die sie trotzdem mögen, leiden, wie Mika ausführlich schildert, am "Stockholm-Syndrom", das man sonst nur von den Opfern brutaler Kidnapper kennt.
Das einzige Anliegen der Männerbewegung, das von der deutschen Politik, wenn auch bisher als reines Lippenbekenntnis, tatsächlich auf die Tagesordnung gesetzt wurde, ist die Benachteiligung der Jungen in unserem Schulsystem. Mika muss natürlich protestieren, wenn über Opfer gesprochen wird, die dem falschen Geschlecht angehören: "Prompt gibt's Geschrei. (...) Kaum ist der Vorsprung der Mädchen ins öffentliche Bewusstsein gedrungen, fangen die Bedenkenträger an, von den Jungs als Bildungsverlierern zu reden. Und die Politik stimmt sofort ein. (...) Ein erklärtes Ziel der CDU Frauenministerin Schröder und vieler Bildungsexperten ist nun, sich um die armen, abgehängten Jungs zu kümmern. Da haben Mädchen mal eine Nanosekunde die Nase vorn (...) und schon wird gegengesteuert." Was für Mika nur "eine Nanosekunde" darstellt – offenbar gemessen, an der Aufmerksamkeitsspanne, die Mika dafür erübrigen möchte – ist für etliche benachteiligte Jungen und später Männer ihr ganzes Leben.
Auch ein Frauenalltag, wie er von Mika geschildert wird, liest sich so, wie es in den Texten Alice Schwarzers geschieht: "Sie schafft das Geld ran, sie macht den Haushalt, die Wäsche, den Garten. Sie kümmert sich um alles, was anfällt – während er den ganzen Tag auf dem Sofa liegt und den Hund streichelt." Ja, so sieht es wohl aus bei einem typischen deutschen Paar. Konsequenterweise empört sich Mika darüber, dass beim Thema Doppelbelastung nur über Kitas, Halbtagsstellen und familiengerechte Arbeitszeiten diskutiert werde, "nicht aber auch über den gesellschaftlichen Skandal, dass die eine Hälfte der Bevölkerung sich parasitär aufführt und die andere Hälfte sich in Sklavengeduld übt." Mika meint hiermit nicht, dass Männer frühmorgens vielfach von Frauen arbeiten geschickt werden, die ihrerseits zuhause bleiben, aber einen Großteil des erarbeiteten Verdienstes wieder ausgeben – was Esther Vilar einmal sehr zugespitzt mit Zuhälterei und Prostitution unter umgekehrten Geschlechterrollen verglich. In Mikas Augen sind die "Parasiten" tatsächlich die Männer.
Anderen Frauen sind solche Absurditäten in Mikas Weltbild längst aufgefallen. "Ist das wirklich so unemanzipiert", fragt etwa Birgit Kelle in einer ersten Reaktion auf Mikas Buch in der Online-Zeitung Freie Welt, "dass man einen Mann dazu bekommt, dass er hart arbeiten geht, man selbst nicht arbeitet und die Tage mit Milchkaffee verbringt, während er an frühem Herzinfarkt stirbt und ein Vermögen hinterlässt? Werden hier wirklich die Frauen ausgenutzt?" An einer Stelle ihres Buches scheint dies auch Mika kurz aufzuleuchten: "Öffentlich haben wir der Männergesellschaft den Kampf angesagt", bekundet sie, "heimlich profitieren wir von deren Bestand."
Im zweiten Teil ihres Buches schimmert auf, dass Mika die Fakten durchaus bekannt sind: "In mehr als zwei Dritteln der westdeutschen Haushalte ist der Hauptverdiener der Mann", heißt es an einer Stelle, "und die meisten Frauen bekommen ein Problem, wenn sie diese Aufgabe übernehmen sollen." Nur knapp zwei Drittel aller Frauen sind in Westdeutschland überhaupt erwerbstätig, verrät Mika weiter, wobei sie aber immer weniger Stunden in den Beruf investieren. Sie erwähnt auch, dass deutsche Mütter "im Vergleich zu ihren europäischen Kolleginnen weniger Zeit im Job verbringen, aber die so gewonnenen Stunden nicht in ihre Kinder investieren, sondern in Freizeit." Und sie zitiert die Professorin Christiane Nüsslein-Volhard, Direktorin eines Max-Plack-Instituts, die von den "ausgebeuteten Männern" spricht: "Die arbeiten hier zwölf Stunden für ihre wissenschaftliche Karriere und das Gehalt der Familie, dann kommen sie nach Hause und sollen noch kochen, sich um das Kind kümmern, Staub saugen ... Das ist eine absolute Gemeinheit, den manche von ihnen zu Hause schuften müssen, obwohl deren Gattinnen den ganzen Tag zu Hause sind. Das verstehen diese Frauen dann unter Emanzipation."
Sogar den Soziologen Klaus Hurrelmann lässt Mika mit seiner Erkenntnis zu Wort kommen, dass die Wahl, die Frauen für ihr Leben treffen, eine klare Kosten-Nutzen-Kalkulation darstellt. An dieser Erkenntnis allein hätte man das gesamte Buch aufziehen sollen – es wäre zehnmal vernünftiger geworden. Allerdings hätte das aber auch Mikas Strategie zerstört, Männer als fiese Manipulateure und Frauen, die den klassischen Rollenmodell folgen, als hirnlose, unterwürfige Weibchen darzustellen. Überhaupt besteht ihn Mikas Darstellung praktisch die gesamte Welt aus solchen Weibchen – die feministische Elite mit ihrer höheren Bewusstseinsstufe einmal ausgenommen. Karin Jäckel hat solchen Herabsetzungen von Haus- und Ehefrauen mit "Die Frau an seiner Seite" bereits 1999 ein komplettes Buch gewidmet.
Zugegeben, einige von Mikas Kritikpunkten an Frauen im jetzt bereits sechsten Jahrzehnt der feministischen Herrschaft sind durchaus nachvollziehbar. So wundert sie sich über die Begeisterung zahlloser Töchter und Mütter, wenn sie sich in Frauen-Demütigungs-Shows wie "Germany's Next Top Model" hineinsteigern, kritisiert die Art, wie sich viele junge Frauen in bestimmten Internetportalen ausschließlich als Sexobjekt anpreisen, und spricht über den Drang anderer Frauen, auch im deutlichen Erwachsenenalter noch Kind bleiben zu wollen (was sich mit Büchern wie "Neue deutsche Mädchen" und "Wir Alphamädchen" sowie Blogs wie "Mädchenblog" und "Mädchenmannschaft" übrigens bis in den feministischen Bereich zieht). Mika zitiert auch eine Hamburger Karriereberaterin, die immer wieder mit Studentinnen zu tun hat, "die allen Ernstes glauben, sie könnten später mal eine Halbtagsstelle machen und damit nicht nur sich, sondern auch noch ein Kind ernähren". Auch Frauen, die beispielsweise Kunstgeschichte oder Romanistik studierten, könnten sich "doch gleich ein Pappschild umhängen: Bin auf der Suche nach einem Ernährer!" Im nächsten Atemzug aber hat Mika die eben präsentierten Erkenntnisse bereits vergessen und nennt als Gründe dafür, dass Frauen viel seltener Karriere machen als Männer "die gläsernen Decken, an denen Frauen zerschellen" und die "old-boy-networks, die alles Weibliche abstoßen". Nur sind das alles keine Gründe, sondern vielmehr feministische Mantras, die nie bewiesen, dafür aber seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig wiederholt wurden, was für eine Autorin wie Mika einem Beweis gleichzukommen scheint. Tatsächlich überschlagen sich die Firmen mit immer neuen Angeboten, um für weibliche Arbeitnehmer attraktiv zu sein: Betriebskindergärten, die inzwischen auch vom Bundesfrauenministerium gefördert werden, firmeninterne Weiterbildung während der Elternzeit, flexible Arbeitszeitmodelle, Kinderbonuszeiten undsoweiter undsofort. Es liegt eben tatsächlich an den Lebensentscheidungen der meisten Frauen, an ihrer "Kosten-Nutzen-Kalkulation" (Hurrelmann) und nicht an einer bösen, patriarchalen Verschwörung der Männer.
Man sieht, es gibt durchaus bemerkenswerte Ansätze in diesem Buch, die allerdings daran scheitern, dass Mika immer wieder abgleitet in eine Rhetorik der siebziger Jahre. Wir sind mit Büchern wie Astrid von Friesens "Schuld sind immer die anderen" in der Debatte eigentlich schon ein gutes Stück weiter. Optimisten mögen es allenfalls als Fortschritt verbuchen, dass Elemente aus diesem neuen Denken zumindest in homöopathische Dosis auch in die Bücher ansonsten stockkonservativer Feministinnen wie Bascha Mika einzufließen beginnen.
Ein besonderes Ärgernis dieses Buches soll indes nicht unerwähnt bleiben. An einer Stelle unterstellt Mika, dass Persönlichkeiten wie der SPIEGEL-Autor Matthias Matussek, der Verfassungsrichter Udo di Fabio, der Geschlechterforscher Gerhard Amendt, der Soziologe Norbert Bolz und die ehemalige Fernsehfrau Eva Herman "die deutsche Öffentlichkeit immer wieder mit ihren Ansichten zur Kinderlage der Nation (quälen), behaupten, dass es die deutsche Frau als Mutter richten könne, wenn sie sich nur endlich mal wieder besinne und ihrem Gebährwillen folge." Für diese Verstiegenheit liefert Mika bei keinem einzigen der von ihr angeführten Autoren einen Beleg. Das dürfte ihr auch schwer fallen – offen gesagt halte ich diese Passage für nahe am Rufmord. Über die Veröffentlichungen speziell Matthias Matusseks und Gerhard Amendts habe ich einen ganz guten Überblick: Forderungen, dass die deutsche Frau gefälligst "ihrem Gebährwillen folgen" solle, kann ich darin beim besten Willen nicht finden. Im Gegenteil: Gerhard Amendt und Matthias Matussek haben die Überhöhung der Mutter scharf und mit guten Argumenten kritisiert, beide setzen sich für einen verstärkten Kontakt von Vätern zu ihren Kindern ein. Offenbar hat Mika hier etliche Leute, die sie aus ideologischen Gründen nicht besonders gut leiden kann, lediglich zu einer bunten Mischung zusammengestellt und ihnen diese absurden Behauptung untergejubelt. Das macht ein ansonsten lediglich dürftiges Buch zumindest an dieser Stelle sogar unseriös. Mir entzieht sich völlig, warum Mika meint, derartige Attacken nötig zu haben.
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