Donnerstag, Mai 19, 2011

Schwule: "Dreiste feministische Okkupation!" – Lesben: "Faschistoide Machos!"

Einer meiner Leser schreibt mir heute Nachmittag die folgende Mail über den Konflikt um den Schwulen-Gedenktag Christopher-Street-Day in München, der dort aktuell auf Wunsch einiger Lesben in Christina-Street-Day umbenannt werden soll:

Grüß Gott, Herr Hoffmann,

in Ihrem Blog haben Sie ja schon öfters darauf hingewiesen, daß Schwule und Feministinnen nicht a priori einer Meinung sein müssen, unter anderem durch Links auf entsprechende Artikel bei GayWest.

Die Münchner Abendzeitung bringt heute einen Artikel über einen angeblichen Streit zwischen Schwulen und Lesben im Vorfeld des diesjährigen Christopher Street Days in München. Bei näherer Betrachtung scheint es sich jedoch eher um einen Krach zwischen Schwulen und (lesbischen) Feministinnen zu handeln:

Eigentlich gelten Schwule und Lesben als friedliebende Menschen. Dass das ohnehin ein (nett gemeintes) Klischee ist, zeigt sich derzeit an einem Streit, der die Szene entzweit wie nie zuvor. „Blöde Emanzen“ und „dreiste feministische Okkupation“ heißt es von der schwulen Seite. Die Lesben schießen zurück, wittern „doofe Machos“ und „faschistoide Reaktionen“. Was ist da los?

AZ-Kommentator Timo Lokoschat hat natürlich nichts besseres zu tun, als die empörten Schwulen als Frauenhasser hinzustellen:

Die Reaktion der Schwulenszene finde ich erschütternd. Hinter vorgeschobenen historischen Argumenten – eine Frage: Ist hinter Federboas, Gasmasken und Glitzer die politische Botschaft nicht längst verloren gegangen? – kommt oft unverhohlene Frauenverachtung zum Vorschein. Schwule sind offenbar auch nur Männer.

Der Münchner Stadtrat Thomas Niederbühl - immerhin von der Rosa Liste! - schlägt dabei in die selbe Kerbe:

Niederbühl reagiert irritiert auf die Vorwürfe, ein Teil der Schwulen-Szene sei offenbar „frauenfeindlich“. Rita Braaz ist ebenfalls schockiert über den „Lesben- und Frauenhass“, der aus vielen Online-Beiträgen spreche. Es gehe um „Dominanz und Macht“.

Jaja, die empörten Schwulen, das sind halt alles "dominante Machos" und deren Reaktionen sind "frauenfeindlich" und "faschistoid". Schon klar! (Die offenbar nicht wenigen Lesben, denen die Umbenennung gleichermaßen auf den Keks geht, sind dann vermutlich angepaßte "Heimchen am Herd" und "Opfer patriarchaler Erziehung"?)

Ehrlich gesagt, wenn man sich in Erinnerung ruft, daß es überwiegend die schwulen Männer waren, die in früheren Zeiten gefoltert, ermordet und ins KZ gesteckt wurden, während man Lesben wegen ihrer Neigungen zumeist eher belächelt hat, dann kommt einem das Kotzen über soviel Ignoranz und Selbstgerechtigkeit! Insofern kann man Timo Lokoschat zustimmen: Schwule, das sind für viele nur Männer. Vor allem für die Schwulenhasser.

"Opfer" hingegen - das sind ausschließlich die Frauen, selbst wenn es in der Realität anders ausgesehen hat. Aber das kennt man ja bereits von den Auseinandersetzungen um das Denkmal für die im Dritten Reich verfolgten Schwulen. Und von Alice Schwarzer, die bekanntlich Frauen unverhohlen mit Juden gleichsetzt - und folglich Männer mit Nazis.

Der Streit schwelt innerhalb der Schwulenszene, nebenbei bemerkt, übrigens schon länger; siehe auch hier die entsprechende Umfrage auf queer.de, bei der über 80% der Teilnehmer der Umbenennung ein "Nein!" entgegenschleuderten.


Die Männerrechts- und die Schwulenbewegung haben eben viele Überschneidungen. Männerfeindliche Journalistenkommentare und absurde Beschimpfungen als "rechtsradikal" bzw. "faschistoid" machen so auch beide zum Ziel.

Während man sich Timo Lokoschats Kommentar auch schenken kann, ist der AZ-Artikel durchaus in Gänze lesenswert – allein wegen der darin zitierten Facebook-Kommentare, die so auch von Männerrechtlern hätten stammen können.