Dienstag, Januar 03, 2006

noch 3. Januar

Im November letzten Jahres interviewte die Berliner „tageszeitung“ Gideon Levy, den renommierten Chefredakteur der Wochenendbeilage der israelischen Zeitung "Ha'aretz" und laut taz einer der wenigen Journalisten Israels, die sich sehr gut in den Palästinensergebieten auskennen. Ich wurde erst jetzt durch einen Leser auf dieses Interview aufmerksam gemacht, in dem Levy klare Worte äußert. So antwortet er auf die Frage, ob die Angst vor einem „neuen Antisemitismus“ berechtigt sei: „Sie ist ein Produkt von ehrlicher Paranoia und einem großen Anteil Manipulation. Paranoia zu haben, bedeutet nicht, dass man keine Feinde hat. Aber indem man sich selbst ausschließlich zum Opfer erklärt, entlässt man sich aus jeder Verantwortung. Die späte Golda Meir hat das einmal auf die Spitze getrieben, als sie sagte, nach dem Holocaust hätten die Juden das Recht zu tun, was immer sie wollten. Das ist natürlich eine extreme Aussage. Aber ich fürchte, viele Juden und Israelis denken so, auch wenn sie es vielleicht nicht sagen würden. (…) Natürlich sind auch viele Israelis zu Opfern des Konflikts geworden. Das bedeutet aber nicht, dass Israel diese Tatsache nicht in zynischer Weise zu eigenen Zwecken benutzt. Die Agonie und das Leid der Palästinenser kommen in den israelischen Medien so gut wie gar nicht vor. Nur indem man die andere Seite ausblendet, kann man sich der Welt als Opfer präsentieren. Israel ist heute ein viel rassistischeres Land als irgendein Land in Europa. Ein Araber in Israel zu sein, ist mit mehr Nachteilen und Diskriminierungen verbunden, als irgendwo auf der Welt ein Jude zu sein. Es ist überhaupt nicht damit zu vergleichen!“ Weitere Passagen dieses Interviews sind hier nachzulesen.