Ich mache normalerweise nie Urlaub und nehem mir selten ein Wochenende durchgehend frei, aber die Zeit zwischen den Jahren ist eine Ausnahme. Abgesehen von den üblichen Besuche von/bei Verwandten und Freunden ziehe ich mich dann ganz in meine Stube zurück und widme meine Aufmerksamkeit allein einer Reihe sehr guter Bücher, die ich mir über die letzten Monate zurückgelegt habe: Voraussetzung ist, dass diese alle sehr unterhaltsam sein und möglichst wenig mit der Rechercheliteratur zu tun haben sollten, die ich beruflich lesen muss. Die Feiertage 2005 wurden sogar besonders schön, weil mich zu einen meine liebe Freundin Lisa mit Geschenken geradezu überschüttet hat und mein alter Kumpel mir die 20 schönsten Stücke aus seiner DVD-Sammlung ausgeliehen und einige davon geschenkt hat. Außerdem habe ich wohl bei den von mir zurückgelegten Büchern und diversen anderen Medien, auf die ich mich so richtig nur in dieser unbelasteten Zeit konzentrieren kann, einen guten Griff getan. Das gibt mir Gelegenheit zu einigen Kürzestrezensionen.
Zugegeben, so viele Audiokommentare auf DVDs habe ich noch nicht gehört, aber die, die ich kenne, finde ich alle unbefriedigend. Entweder die Filmschaffende haben überhaupt nichts zu sagen, außer gießkannenmäßig ausgeschüttetem Lob an alle Beteiligten, oder ihre Bemerkungen erschöpfen sich in rein technischen Making-Ofs. Eine erfreuliche Ausnahme ist der Audiokommentar zu einem meiner Lieblingsfilme
Vanilla Sky. Hier erhält man tatsächlich Infos, die einem ein tieferes Verständnis des Films ermöglichen. Schade, dass David Lynch das nicht ebenso macht. Außerdem verliebe ich mich beim Sehen des Films regelmäßig in Penelope Cruz – wenn ich so darüber nachdenke, die einzige Schauspielerin, bei der mir das passiert. Na gut, vielleicht noch bei Emma Watson. :-)
Nicht herausragend, aber doch recht nett, ist Jürgen Braters Sammlung unsinniger und längst widerlegter Ratschläge wie
Bier auf Wein, das lass sein. Brater hat sich bei Eichborn schon durch sein Lexikon der rätselhaften Körpervorgänge und sein Lexikon der Sex-Irrtümer ein würdiges Renommee geschaffen, und auch dieses Bändchen ist hübsch zu lesen. Hätte ich nur vor dem Kauf meiner neuen Matratze gewusst, dass eine harte Unterlage gar nicht so gesund für den Rücken ist wie gedacht …
Andreas C. Knigge gilt seit zwei Jahrzehnten als DER deutsche Comic-Experte. Seine Neuerscheinung
50 Klassiker Comics ist wohl der Höhepunkt seines bisherigen Schaffens: ganz große Klasse – und seinem fast gleichzeitig erschienenen Überblick
Alles über Comics von Struktur und Bildmaterial her deutlich überlegen. Vermutlich kann man nur als Autor nachvollziehen, wieviel Arbeit dieses Buch gemacht haben muss. Zu den 50 ansprechend bebilderten Abrissen über die Meilensteine der Comicgeschichte zwischen Wilhelm Busch und Alan Moore kommen zu jedem Künstler 50 Faktenseiten mit Werkbiographie, einem thematischen Eintrag, Literaturempfehlungen und einer prägnanten Kurzerklärung, was gerade dieses Werk literaturhistorisch so bedeutsam macht. Zusammen mit Scott McClouds
Comics richtig lesen das vielleicht empfehlenswerteste Buch über dieses Format überhaupt.
Außerordentlich gut gefällt mir auch Henner Löfflers
Wie Enten hausen, worin er sich intensiv mit den Donald-Duck-Comics von Carl Barks auseinandersetzt. Über 450 Seiten enthalten Mini-Essays zu den unterschiedlichsten Themen von „Aggression“ und „Alter“ bis zu „Wirtschaftsleben“ und „Zeitungen“. Wohlgemerkt: Löffler ist keiner von diesen sympathisch durchgeknallten Donaldisten, sondern ein Literaturwissenschaftler, der auch schon mal Analogien zu Colerdige, Borges oder Thomas Manns Josephtetralogie zieht. Seine faszinierende Analyse enthüllt bei Barks ein rabenschwarzes Menschenbild. (Nebenbei bemerkt: Auf der von mir verlinkten Amazon-Seite zu diesem Buch findet man einen hübschen Beleg für das bei Amazon gelegentlich grassierende Halbidioten-Syndrom, das darin besteht, dass jemand, der von einem Buch intellektuell komplett überfordert ist, es scheinbar aus Frustration oder aus narzisstischer Wut in einer Ein-Sterne-Rezension komplett in die Tonne tritt. Solche hübschen Texte habe ich auch einige eingefangen …)
Sex Disasters And How to Survive Them hingegen ist eines dieser Bücher, bei denen man sich wundert, warum es noch kein deutsches Pendant dazu gibt: Die Autoren geben einem Ratschläge zu all jenen Problemen, zu denen sich Dr. Sommer von der BRAVO eher ausschweigt. Was sollte man zum Beispiel tun, wenn man sein Kondom in seinem Partner verliert, sich mit seinem Zungenpiercing in ihrem Klitorispiercing verhakt oder beim Fisting seine Faust nicht mehr aus dem Hintern seines Lovers lösen kann? Wie verhält man sich, wenn einen der Sexpartner plötzlich wegen Vergewaltigung anzeigt oder man beim Lecken eine Kiefersperre bekommt? Praktische und nachvollziehbare Tipps für jedermann. Löblich ist die explizite Erwähnung, dass auch Männer Opfer von Stalking sowie sexueller oder häuslicher Gewalt werden können.
Während ich mich mit Philosophie, insbesondere Ethik, Jenseitsforschung und Parapsychologie bereits ausgiebig beschäftigt habe, habe ich um Religionslehre bislang eher einen Bogen gemacht. Da hilft mir ein übersichtlicher Einführungsband wie Mel Thompsons
Teach Yourself the Philosophy of Religion recht gut. Ist Gott immanent oder transzendent? Welche Form von Gottesbeweisen (ontologisch, kosmologisch, teleologisch, moralisch, erfahrungsbezogen) sind brauchbar? Ist es nicht paradox, zugleich die Schöpfung einer geordneten Welt und das Wirken „unordentlicher“ Wunder als Beweis für Gott gelte zu lassen? Besitzt der Mensch eine autonome Seele? Wie lässt sich ein allmächtiger und allgütiger Gott mit dem menschlichen Leiden in Übereinkunft bringen? Welchen Wert hat das anthropische Prinzip? Da sich das Buch allerdings stark auch auf überzeugte Religionskritiker wie „Darwins Bulldogge“ Richard Dawkins bezieht, lässt es einen nach der Lektüre eher als Atheisten zurück.
Ein höchst unterhaltsames PC-Musikquiz ist
Pop Minds. 1200 Fragen von den Achtzigern bis heute, vorgetragen von einer zickigen Moderatorin, deren verächtlichen Tonfall ich hocherotisch finde. (Ja, so hat eben jeder seine Störungen …) Ernüchternd für mich war allerdings zu merken, dass ich über die krassesten Hits und Stars der letzten Jahre echt nicht so voll die Peilung habe …
Apropos aktueller Pop: The Beautiful South haben mit
Golddiggas, Headnodders and Pholk Songs eine neue CD herausgebracht, die ausschließlich Cover-Versionen enthält. Während man dabei einerseits die bissigen Texte von Paul Heatons Combo vermisst, habe ich noch von keiner Band so gelungene Coverversionen gehört wie von dieser. Ich darf nur an „Everybody´s Talking“ oder „Dream a Little Dream Of Me“ erinnern. Anspieltipp bei dieser CD: “I´m Stone in Love With You.” Mjam.
Ebenfalls gut mit Cover-Versionen bestückt ist Agnetha Fältskogs neue CD
My Colouring Book, die ich probehalber wegen einiger hingerisseneren Rezensionen bestellte (und weil ich ihren Hit „Wrap Your Arms Around Me“ immer noch sehr groß finde). Bis zum Anhören war ich aber skeptisch, ob mich nicht nur Pop-Gedudel erwarten würde. Tatsächlich ist das Album grandios und enthält eine ganze Reihe fantastischer Liebeslieder zum Dahinschmelzen. Weniger geeignet als Power-Quelle bei der Arbeit aber sehr gut, wenn man dabei ein gutes Buch liest oder einfach nur auf dem Bett liegt und träumt.