1. August 2005
Es wäre übertrieben zu sagen, dass ich ein besonders pflegeleichter Schüler gewesen wäre. Zum Beispiel verfasste ich ätzende Artikel für die Schülerzeitung, um darin besonders bescheuerte Lehrer regelmäßig mit dem „Kopfschuss der Woche“ zu ehren. Einmal drangen wir nachts heimlich in unsere Klasse ein, um die Wände rosa anzustreichen, ein anderes Mal ließen wir alle am 11.11. um 11 Uhr 11 mitten in der Deutschstunde unter lautem „Helau!“ die Sektkorken knallen. Bis unsere verdatterte Lehrerin sich überlegt hatte, wie sie reagieren sollte, waren einige von uns schon halb besoffen. Ein anderes Mal stellte ich als subtile Kritik am Unterricht unseres Religionslehrers ein Schildchen mit der Aufschrift „Lieber Lehrer, ich schlafe gerade. Bitte wecken Sie mich sanft gegen Ende der Stunde.“ vor mir auf, legte den Kopf auf die Arme und tat so, als würde ich dösen. Woraufhin ich tatsächlich einschlummerte, weil dieser etwas unbegabte Pädagoge wohl über eine kleine Ewigkeit hinweg die Stämme Israels aufzählte und wer von wem abstammte. Berichten einer Klassenkameradin zufolge habe er mich dreimal hintereinander immer eindringlicher angesprochen, und danach war ich immer noch nicht ganz wach. Am häufigsten war ich allerdings während des Unterrichts damit beschäftigt, Comics unter der Bank zu lesen oder an einer Parodie über die TV-Serie „Dallas“ zu schreiben. Unter diesem Blickwinkel fühle ich mich geradezu geehrt, dass ich mein renitentes Potential an die Schülergeneration von heute weitergebe - auch wenn es mich nicht besonders glücklich macht, dass sich so mancher Lehrer heute genauso bescheuert und übergriffig benimmt wie einige unserer Exemplare damals.
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