Mittwoch, Dezember 21, 2005

noch 21. Dezember

Einen hübschen Beitrag gibt es heute in dem jüdischen Online-Magazin hagalil. Darin geht es um eine Tagung über die Brückenfunktion der deutsch-jüdischen Gemeinden im israelisch-deutschen Dialog, veranstaltet vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Heinrich-Böll-Stiftung. Dem Hagalil-Artikel zufolge schloss die Veranstaltung unter allgemeiner Zustimmung mit dem Fazit Charlotte Knoblochs: „Israel ist und bleibt unsere religiöse und geistige Heimat.“

Bitte? Darf ich schüchtern einwenden, dass es als hochbedenkliches Zeichen von Antisemitismus skandalisiert wurde, als Ignatz Bubis vor Jahren von einem Rostocker Stadtverordneten gefragt wurde, ob er Israel als seine Heimat betrachte? Und dass das Meinungsforschungsinstitut Forsa in einer für den „Stern“ durchgeführten Umfrage, die bei 23 Prozent der Befragten judenfeindliche Einstellungen zu erkennen glaubte, als eine der Schlüsselfragen für einen solchen Hinweis „Fühlen sich die Juden in erster Linie Israel verbunden?“ wählte? Wenn ein Befragter hierin Charlotte Knobloch zustimmte, ohne in Feinheiten in der von "Forsa" vorgegebenen Formulierung zu achten ("die Juden", "in erster Linie"): Ätsch, reingefallen, Sie sind antisemitisch!

Vor einigen Wochen wurden Äußerungen von mir als antisemitisch insinuiert, weil ich es gewagt hatte, jüdische Vertreter der Nahost-Friedensbewegung anzuführen. Die bizarre Logik ging damals in die Richtung: „Jüdische Kronzeugen sind für Antisemiten typisch, sharonkritische Juden sind jüdische Antisemiten, nur ein sharontreuer Jude ist ein guter Jude.“ (Das ist natürlich ein Teil des politischen Machtkampfes, so wie wenn Alice Schwarzer suggeriert, Frauen, die ihr nicht zustimmten, seien „vom Patriarchat manipuliert“ und übernähmen unbewusst dessen Frauenfeindlichkeit. Hier gilt analog: Nur linientreue Frauen sind gute Frauen.) Okay, inzwischen darf man also noch nicht mal mit Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland übereinstimmen, ohne als antisemitisch diffamiert zu werden? Am besten man hält zum Thema Juden komplett die Klappe, was dann zweifellos auch wieder nicht richtig wäre? Kein Wunder, dass hier einige inzwischen von einer „neurotischen Rezeptionshaltung“ sprechen. Vielleicht könnte man allmählich dazu übergehen, den Dialog zwischen Juden und Nicht-Juden von einer Reihe komplett überflüssiger Tretminen zu befreien, selbst wenn das einigen Leuten ihr „Antisemitsmus-Aufstöbern-wo-es-nur-irgend-geht“ als Lieblingshobby nehmen würde.