Dienstag, April 04, 2006

4. April 2006

Der Deutsche Journalistenverband hat auf der Leipziger Buchmesse eine „Sprachfibel gegen Rassismus“ angekündigt, die in der redaktionellen Arbeit als „unverzichtbares Werkzeug“ eingesetzt werden solle. Tabuisiert würden damit fürderhin Wörter wie „Asylbewerber“ oder „Gutmensch“. Zu diesem Vorhaben äußert sich die Sozial- und Medienwissenschaftlerin Dr. Ute Scheuch in einem mit „Weg in die Erziehungsdiktatur“ betitelten Interview mit der „Jungen Freiheit“. Ein Auszug:

JF: Die Fibel soll laut DJV all jene Wörter auflisten, die „Antisemitismus“ und „Rassismus“ Vorschub leisten und die Journalisten deshalb nicht mehr verwenden sollen.

Scheuch: Der DJV stellt nach eigenen Worten fest, daß „die deutschen Medien glücklicherweise weitgehend frei von rassistischen Angriffen sind“. Und so werden als Beispiele für die künftig per Fibel zu indizierenden Wörter auch nicht etwa Begriffe wie „Weltjudentum“ oder „Blutschande“ genannt, sondern erstaunlicherweise Begriffe wie „Asylbewerber“ oder „Gutmensch“. Denn nur so kann unterschwellig fast allen deutschen Medien unterstellt werden, Helfershelfer des „Antisemitismus“ und „Rassismus“ zu sein.

(...)

JF: Die Ausarbeitung der Fibel soll das DISS, das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (siehe auch Seite 12), übernehmen. Wie schätzen Sie das Institut ein?

Scheuch: Professor Siegfried Jäger, der Leiter des Instituts, vertritt zum Beispiel die Auffassung, es habe nichts gebracht, das Wort „Asylant“ durch das Wort „Asylbewerber“ zu ersetzen, denn Asylbewerber sei bald ebenso negativ besetzt gewesen wie zuvor Asylant. Deshalb, so Jäger, müsse es darum gehen, „den Begriff zu dekonstruieren“, und das heiße nichts anderes, als „die Deutung eines gesellschaftlichen Sachverhaltes grundsätzlich zu verändern“. Orwell hat in seiner Horrorvision „1984“ die De- und Neukonstruktion von Begriffen als zentrales Manipulationsmittel der Diktatur des Großen Bruders beschrieben. Sie rangiert sogar noch vor dem Mittel der Geheimpolizei! Nun würde im DJV jedermann Wesen und Methoden des Großen Bruders ablehnen. Und entsprechend will man dort die Fibel nur als eine „Empfehlung“ verstanden wissen. Doch selbst den bloßen Versuch der Manipulation unserer Wirklichkeit durch „empfohlene“ Beschönigungen, Umdeutungen oder Verschweigen von Mißständen sollten wir abwehren. Mein Mann, der Soziologe Erwin K. Scheuch, hat einmal formuliert: „Wenn Sie nicht einmal in Ihrer Wortwahl mehr frei sind …, ja, im vorauseilenden Gehorsam das eigene Beugen schon gar nicht mehr bemerken, dann ist es schlimm um die Unbefangenheit bestellt, die zur Kreativität erforderlich ist.“

Nicht weniger deutlich wird in einem zweiten Interview Gernot Facius, stellvertretender Chefredakteur der „Welt“:

JF: Im Fall der Mohammed-Karikaturen hat keine Redaktion versäumt, ihren unermüdlichen Einsatz für die Pressefreiheit laut zu bekunden. In diesem Fall hat sich bislang aber noch keine einzige deutsche Zeitung zu Wort gemeldet.

Facius: Dieses fragwürdige Verhalten ist nicht neu. Denken Sie doch nur an Ihren eigenen Fall! Während sich alle unlängst für die Mohammed-Karikaturen eingesetzt haben, hat für die Pressefreiheit Ihrer Zeitung doch kaum einer den Finger gerührt. Da war doch viel Heuchelei im Spiel.