Freitag, Dezember 19, 2008

Bush und Bin Laden – einer das Spiegelbild des anderen

Auf eine interessante Buchneuerscheinung macht die aktuelle Ausgabe der "Newsweek" aufmerksam:

George W. Bush's neoconservative administration and Osama bin Laden's messianic terrorist organization may, in a perverse way, have deserved each other, argues French scholar Gilles Kepel. But in his new book, "Beyond Terror and Martyrdom," Kepel suggests the rest of us can do better than vaguely defined wars striving to impose deluded ideas of democracy on the Middle East, not to speak of atavistic designs for Muslim glory built around a cult of suicide.

Both Bush and bin Laden, Kepel argues, staked their claim to power on the eradication of evil (each other) and the creation of an idealized state, whether a God-fearing democracy or a pious caliphate. Both embraced violence to pursue those ends. Neither succeeded; together they created "an endless shared nightmare": Nairobi, the U.S.S. Cole, 9/11, Bali, Madrid, London, Mumbai, Afghanistan, Iraq, renditions, Guantánamo, Abu Ghraib, Bagram.

"The war between George W. Bush and Osama bin Laden defeated both of its protagonists," Kepel writes, and President Bush's successor "will have to bury the grand narrative of the war on terror." America's best ally in building a new future for the Middle East will be Europe, with the proven model of its own peaceful union. Pair that with the human energy of the Mediterranean region and the oil money of the Gulf, and you have a combination that promises peace and prosperity.


Wenn ich mir die Rhetorik in neokonservativen Blogs zwischen Stefan Herres "Politically Incorrect" und Henryk Broders "Achse des Guten" anschaue, mit ihrem blindwütigen Hass auf "die andere Seite", das Ausblenden der eigenen Schuld am gegenseitigen Abschlachten sowie das Verharmlosen und Rechtfertigen von Folter und Krieg – ja, dann ist es tatsächlich so, als bekämpfte den Islamismus sein westliches Spiegelbild. Was uns am meisten entsetzt, ist in uns, hatte Bataille einmal über solche Leute gesagt, die jene Anteile ihrer Persönlichkeit, die sie bei sich selbst unbewusst am meisten verabscheuen, bei einem schnell gefundenen Gegner bekämpfen müssen.

Was hierzulande in Wahrheit politisch unkorrekt ist, das ist, Bush und bin Laden so miteinander zu vergleichen, wie Gilles Kepel als französischer Autor das tut. Der letzte Prominente, der bei uns nur ansatzweise etwas Ähnliches versuchte, war Ulrich Wickert als Moderator der "Tagesthemen". Prompt startete die BILD eine Kampagne, in der sie ihm eine "Beleidigung des Präsidenten" und "Antiamerikanismus" vorwarf. Wer dachte, in Deutschland sei der Vorwurf der Majestätsbeleidigung abgeschafft, sah sich im Irrtum: Wickert war von einer möglichen Kündigung bedroht, bis er sich endlich entschuldigte und von einem "Missverständnis" sprach. So – und nicht im Hass auf Muslime – sehen hierzulande die wahren Denkverbote aus.

Anderswo herrscht größere Freiheit im Denken als bei uns: In Frankreich und selbst in den USA kann ein Buch zu diesem Thema erscheinen und in einer der meistgelesenen amerikanischen Zeitschriften positiv besprochen werden. Mit einer baldigen deutschen Übersetzung würde ich nicht rechnen. Der Totschlagknüppel "Antiamerikanismus" ist hierzulande längst an die Seite des Knüppels "Antisemitismus" getreten. Man stelle sich vor, ein deutscher Moderator, der die iranische Regierung kritisiert, würde von einer führenden deutschen Zeitung der "Islamophobie" geziehen und er müsste so lange um seinen Job bangen, bis er seine Kritik öffentlich zurücknimmt … Nein, es ist absurd: In einem freien Land sollte es ein Delikt wie "Majestätsbeleidigung" nicht geben – auch wenn es die Majestäten anderer Staaten sind.