Kampagnenjournalismus: Broders und Weinthals Methoden fliegen auf
"Hier lügt Broder" meldete gestern noch ein einsamer Blogger. Heute ist Broders kreativer Umgang mit der Wahrheit bereits Thema in der Presse. Das "Schwäbische Tagblatt" berichtet über die Reaktion des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer auf Broders gestrigen Spiegel-Online-Artikel:
„Das ist kein Recherche-, sondern Kampagnen-Journalismus“, sagte Palmer gestern auf TAGBLATT-Anfrage. Gemeint ist damit der Journalist Henryk M. Broder. Der hielt der jüdischen Menschenrechtsanwältin Felicia Langer aus Tübingen im „Spiegel online“-Artikel „Feigenblatt des schlechten Gewissens“ unter anderem vor, dass sie ein Vorwort zu einem Buch des ehemaligen Düsseldorfer Grünen-Landtagsabgeordneten Jamal Karsli geschrieben habe. Er sei „ein gerichtlich anerkannter Antisemit“, schreibt Broder.
Dann wird Palmer zu diesem Vorwurf zitiert: „An meiner Meinung ändert sich auch durch diesen Scheinbeleg nichts.“ Dieser Satz stammt aus einer Antwort-Mail von Palmer an Broder. Der Journalist hatte unter anderem fünf Fragen für einen Hintergrundbericht gestellt. Er wolle versuchen, schrieb Broder in Kleinbuchstaben und mit Tippfehlern an Palmer, den „fall lange zu entskandalisieren und als das darzustellen, was er vermutlich ist: eine vermeidbare panne in der kommunikation unter behörden“. Broder und der Journalist Benjamin Weinthal, Berlin-Korrespondent der „Jerusalem Post“, „versuchen, einen mit ihren Fragen aufs Glatteis zu führen“, sagt Palmer.
Palmer wirft Broder und Weinthal überdies eine mehr als nur nachlässige Recherche vor. So sei Palmer von Weinthal in der "Jerusalem Post" vorgeworfen worden, die "Völkermorddrohung" des Irans gegenüber Israel "herunterzuspielen" (was im Klartext wohl auch nur bedeutet: sich Weinthals Interpretation von Ahmadinedschads Worten nicht anzuschließen). Dabei habe Weinthal allerdings einiges durcheinander gebracht: Nicht Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, sondern Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon habe sich dazu bekannt, die Partnerschaft seiner Stadt mit der iranischen Provinzhauptstadt Isfahan trotz der markigen Worte Ahmadinedschads aufrechtzuerhalten.
Aber in einer Szene, in der man Islam und Islamismus ebenso willkürlich durcheinanderwirft wie Israelkritik und Antisemitismus, kann vermutlich auch ein deutscher Oberbürgermeister stellvertretend für den anderen stehen: Irgendwie ist das für Journalisten wie Broder und Weinthal offenbar alles Jacke wie Hose. Es geht ihnen allem Anschein nach wirklich nicht um Wahrheitsfindung, sondern allein um das Durchsetzen der eigenen politischen Position.
„Die Methoden sind schlimm“, kommentiert Palmer Veröffentlichungen wie diese. Und: Er hätte „vor einer Woche noch nicht geglaubt, dass es ein solches Netzwerk gibt“. Mit diesem Netzwerk meint er die Initiative „Honestly Concerned“ (etwa: „aufrichtig betroffen“). Sie entstand nach Angaben auf ihrer Homepage im Mai 2002.
Wer sich hinter dieser Website verberge, sei indes weder dem Impressum des Vereins noch der Seite "Wir über uns" zu entnehmen. (Gut das kennt man von ähnlichen Seiten wie "Lizas Welt": Solche Leute fühlen sich anscheinend nur als Heckenschützen wohl.) Auch eine Anzeige gegen die Verfasser von Hass-Mails mit wüsten Beschimpfungen, die immer noch im Tübinger Rathaus eingehen, habe keinen Sinn. Offenbar würden Mailadresse und Telefonkontakt Palmers über spezielle Mailinglisten verbreitet. (Ähnliches kennt man aus der islamophoben Szene, wobei die Überschneidungen zu den Anti-Palästinenser-Aktivisten bekanntlich groß sind.)
Das von dem hier skizzierten Netzwerk veranstaltete Spektakel wird dank solcher Berichte von Tag zu Tag mehr zum Debakel. Bis heute ist den Felicia-Langer-Hassern als einziges gelungen, ihre eigenen Methoden öffentlich auch für all jene bloßzustellen, die zuvor nicht einmal davon ahnten.
Hier findet man den vollständigen Artikel (solange das "Schwäbische Tagblatt" keine Mauer davor hochzieht).
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