Donnerstag, Juli 23, 2009

"Vom Kreuz der Verdienste"

Das habt ihr jetzt davon: Jetzt kommentiert auch noch Moshe Zuckermann das Spektakel um Felicia Langer in der "jungen welt" - und auch er scheint darin eher eine Farce zu sehen als eine ernsthafte Debatte:

Das sei »ein Schock«, sagt der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann. »Deutschland hat damit jemanden ausgezeichnet, der professionell, chronisch und obsessiv die Dämonisierung Israels betreibt«. Langer trage »ihr Jüdischsein als Fahne vor sich her – doch ihre jahrelange Israel-Hetze macht das nicht besser«. Nun mag man sich fragen, wieso Graumann meint, daß die Mitglieder des Zentralrats der Juden in Deutschland ihr Jüdischsein weniger vor sich trügen als Langer, und ob er allen Ernstes meint, jemand in Deutschlands Öffentlichkeit würde auch nur einen Deut auf seine Anschauungen und auf die seiner Ratskollegen geben, wenn sie nicht ihr Jüdischsein vor sich trügen. (…)

Und dann der Schreck aller Schrecken: »Erste Träger des Kreuzes drohen bereits mit Rückgabe ihrer eigenen Auszeichnung«. Ralph Giordano und Arno Lustiger hätten dem deutschen Bundespräsidenten angedroht, ihre eigenen Bundesverdienstkreuze zurückzugeben, wenn das Staatsoberhaupt Felicia Langer den Orden nicht wieder entzieht. »In einer Ordensreihe mit Felicia Langer – das geht nicht«, sagt Giordano. Recht hat er, der Giordano: Langer in einer Ordenreihe mit ihm und seinesgleichen geht in der Tat nicht. Aber was will er? Will er allen Ernstes, daß der deutsche Bundespräsident eine Selektion zwischen den untereinander verfeindeten Juden vornimmt? Daß Deutsche staatsoffiziell entscheiden, wer der akzeptable Jude sei? Schon merkwürdig, was Juden im heutigen Deutschland so alles in den Sinn kommt.


Die Debatte um Felicia Langer ist tatsächlich ein unvorhersehbarer Umschlagpunkt. Man hat inzwischen den Eindruck: Während die üblichen Ideologen zuvor durch eine grimmige Miene, mit größtmöglichem Pathos vorgetragene Vorwürfe und entschiedenes Aufstampfen immer wieder für ein ängstliches Zusammenzucken sorgten, macht sich inzwischen die halbe Welt über sie lustig. Wie konnte das passieren, dass diese ganze Veranstaltung von der "Badischen Zeitung" über den "Freitag" bis zur "jungen welt" plötzlich als das Kasperletheater erkannt wird, das es ist? Warum steigt kein Journalist außer den eigenen Leuten auf das Langer-Bashing ein, ein ernstzunehmender Politiker schon gleich gar nicht? Und was ist aus dem beliebten Spiel "Wer als erster 'Antisemitismus' ruft, hat die Debatte gewonnen" geworden? Darauf haben einige Leute ihre gesamte publizistische Existenz gegründet!

Wenn das so weitergeht, müssen viele Eiferer und Dogmatiker, wenn sie überhaupt wieder ernstgenommen werden wollen, plötzlich wieder eine sachliche Diskussion über die Politik im Nahen Osten führen. Und zwar ohne die seit Jahren schon alberne Rhetorik, immer wieder zu erklären, dass Kritik an Israel selbstverständlich erlaubt sei, um dann, wenn diese Kritik tatsächlich geäußert wird, jedes Mal prompt "Antisemitismus!" zu krakeelen. Welcher Augenzeuge dieser Debatte soll das denn noch ernst nehmen?

Nein, Bundespräsident Köhler hat mit seiner Entscheidung schon etwas sehr richtig gemacht. Lasst uns den Antisemitismus bekämpfen, wenn Juden dafür angegangen werden, weil sie Juden sind. Aber lasst ihn uns nicht als Vorwand nehmen, um weiter eine offene Debatte über die Situation im Nahen Osten zu vermeiden.