"Gotteslästerlicher" Fußballverein empört Moslems Christen
Kreuz und quer konnte man in den vergangenen Tagen über eine kleine Schar von Muslimen lesen, die sich an einer Passage in der Hymne des Fußballvereins Schalke 04 störten. (Der Spiegelfechter
fasst das Medienspektakel treffend zusammen.) Zwar war die Zahl der Muslime, die sich befremdet fühlten, so klein, dass sie nicht einmal ein Promille aller Muslime in Deutschland ausmachte. (Selbst wenn man davon ausgeht, dass jede anonyme Mail wirklich von einem empörten Moslem stammte und nicht von Leuten, die aus ... Sorge vor der drohenden Islamisierung Europas etwas Öl ins Feuer gossen, um die Gefährlichkeit des Islams zu verdeutlichen.) Auch winkte der Zentralrat der Muslime schmunzelnd ab und riet dazu, die Sache mit Humor zu sehen.
Aber für unsere heutigen Journalisten genügt schon eine unbedeutende Zahl von Muslimen, die etwas aus Mediensicht Albernes tun, damit diese Journalisten zügig in Wallung geraten. Offenbar sind in einer Redaktion wie der des SPIEGEL zu so einer günstigen Gelegenheit viele ganz aus dem Häuschen. Folgendermaßen muss man sich das wohl vorstellen: "Kommt alle mal her, ich hab da was im Internet gefunden, ein paar Muslime machen schon wieder was Komisches! Schnell den Broder anrufen, damit der uns einen Artikel darüber schreiben kann, wie zurückgeblieben und intolerant diese Hinterwäldler doch sind!" Und prompt kann man dann, so wie im aktuellen SPIEGEL, das übliche Herumgebroder über die "Bereitschaft der Muslime" lesen, "sich schnell beleidigt zu fühlen". Klischees bedient, Ressentiments geschürt – journalistischer Auftrag erfüllt. Und nicht nur Henryk Broder, auch viele SPIEGEL-Redaktionskollegen sinken vermutlich befriedigt, ermattet und selig lächelnd in ihre Sessel zurück. Darüber dass die allermeisten Leser von diesem im Steilflug herabsausenden Niveau unseres Journalismus nur noch enttäuscht sind, darf man eben gar nicht erst nachdenken, wenn man in unserer derzeitigen Medienlandschaft tätig ist.
Besonders bemerkenswert ist dieses Vorgehen unserer Medien allerdings, wenn man weiß, dass so gut wie keine Berichterstattung über eine Kontroverse stattfindet, die es offenbar schon seit einiger Zeit um den 1. FC Kaiserslautern gibt. Der machte nämlich im Internet und auf Plakaten mit dem Slogan "Betze unser" auf sich aufmerksam. Dies fassen gläubige Christen als Verunglimpfung des Gebets "Vater unser" auf, weshalb sich der Verein jetzt gegen den Vorwurf der Gotteslästerung verteidigen muss.
Darüber hört man in unseren Medien bislang nichts, und auch als ich davon erfahren hatte, musste ich erst mal einige Minuten recherchieren, bis ich wenigstens zwei Meldungen darüber gefunden hatte: hier und hier (jeweils auch als Audio). Das Szenario ist dasselbe wie bei der Posse um Schalke: Einige verärgerte Gläubige, Proteste gegen Verunglimpfung, der Verein muss sich gegenüber einer religiösen Führungspersönlichkeit schriftlich rechtfertigen und erklären, dass man auf keinen Fall den Glauben anderer Menschen habe angreifen wollen.
Nur: Keine empörten Muslime, kein mediales Interesse. Kein selbstgerechtes Schwadronieren davon, dass das Christentum ja leider die Aufklärung nicht mitgemacht hätte oder dass ihm eine Verhohnepiepelung von Satirikern wie Monty Python mal ganz gut täte. Es gibt auch keine fanatischen Blogger, die analog zu Djihad gegen Schalke von einem "Kreuzzug gegen Kaiserslautern" phantasieren. Nicht einmal Post von Wagner in der BILD! All dieses herablassende Geplapper bleibt aus, und es wird auch weiter ausbleiben. Denn die christliche Wertegemeinschaft, das sind ja wir. Und wir sind aufgeklärt. Diese dauerbeleidigten, intoleranten muslimischen Hinterwäldler hingegen ...
Nachtrag vom Abend: Inzwischen gibt es immerhin einen (!) ausführlichen SWR-Artikel: Sind die roten Teufel Gotteslästerer?
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