Tolstaja statt Tolstoj: Der Boom der unterdrückten Frauen
Die eigentliche Ursache des aktuellen Hypes um die „Frauen im Schatten“ hat aber eine ganz banale Erklärung. Die vielen für Frauen und die Genderforschung geschaffenen Lehrstühle und Forschungsstellen müssen ja auch gerechtfertigt werden. Es muss produziert werden – publish or perish. Deshalb wird jetzt die gesamte Kunst- und Wissenschaftsgeschichte nach Frauen durchforstet, die angeblich oder tatsächlich (die Möglichkeit an sich bestreitet ja niemand) benachteiligt wurden, um sie in den Himmel zu heben. Es bleibt also noch viel zu tun; auf mittlere Sicht wird den GenderforscherInnen (meist sind es Frauen) der Stoff nicht ausgehen. Ihr einziges Thema sind ihre Geschlechtsgenossinnen. Exemplarisch in dieser Hinsicht ist ein vor kurzem bei Reclam erschienenes Komponistenlexikon. Unter dem generell sicher bedenkenswerten Aspekt der Aufdeckung von Mechanismen kultureller Selektion wird ein spezieller Aspekt einseitig herausgegriffen: Gender. Die „Meisterwerk“- und „Kanon“-Begriffe werden unter dem Vorwand eines angeblich „demokratischen“ Musikbegriffs diskreditiert, der in Wahrheit relativistisch ist; es wird daher viel von Netzwerken geredet, innerhalb derer alle Beteiligten, insbesondere jedoch die „vergessenen“ Frauen eben doch von größter Wichtigkeit seien. Von kompositorischer Qualität ist nirgendwo mehr die Rede.
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