Sonntag, September 05, 2010

Sarrazin: 18 Prozent Unterstützer, 45 Prozent fordern seine Entlassung

Thilo Sarrazin provoziert in der Migrationsdebatte mit erfundenen Behauptungen, die Fachleute als absurd und unverantwortlich anprangern (Ein Beispiel von vielen: "Es ist bekannt, dass der Anteil der angeborenen Behinderungen unter türkischen und kurdischen Migranten weit überdurchschnittlich ist. Ganze Clans haben eine Tradition von Inzucht.") Bei 18 Prozent der Bürger kann der Provokateur damit aber punkten: Sie würden eine neue Protestpartei wählen, die von Sarrazin angeführt wird. Gleichzeitig finden 45 Prozent der Befragten, Christian Wulff solle Sarrazins Entlassung aus dem Bundesbank-Vorstand unterschreiben. Spiegel-Online berichtet.

Die Spiegel-Printausgabe wird sich näher damit beschäftigen, warum sich so viele Deutsche für Behauptungen begeistern, die sich bei näherer Überprüfung als unhaltbar erweisen. Etwas bizarr wirkt hier allerdings, dass dieselbe Zeitschrift als Volksaufklärer auftritt, die Sarrazins Blödsinn zunächst unkommentiert unters Volk streute. Der bekannte Journalist Michael Spreng kommentierte den unkritischen Abdruck dieser Hetze bei SPIEGEL und BILD so:

Damit stehen die beiden Blätter auf einer Stufe (schön für BILD), müssen sich gefallen lassen, auch für Sarrazins völkische Genetik in Haftung genommen zu werden, auch für seine absurde und gefährliche These, genetisch unintelligente Muslime, die sich rasend fortplanzen, schafften Deutschland als Land der Deutschen ab. (...) Es wäre interessant zu wissen, ob die vertragliche Regelung mit Sarrazin und dem Verlag über den Vorabdruck eine begleitende kritische Berichterstattung verboten hatte.


Spreng wendet sich auch gegen die Nonsens-Behauptung, ausgerechnet Sarrazins Meinungsfreiheit sei bedroht:

Kaum einer durfte in den letzten Jahren den Mund so weit aufreißen wie Thilo Sarrazin. Die Vorabdrucke seines Buches in BILD und “Spiegel” erreichten 18 Millionen Leser, er war schon Gast in zwei Talkshows mit sechs Millionen Zuschauern, zu seiner Pressekonferenz kamen 250 Journalisten und 30 Fernsehteams, er war Schlagzeile in jeder deutschen Zeitung, Aufmacher in allen TV-Nachrichten. Sein Buch wurde schon 250.000 mal bestellt. Mehr Meinungsfreiheit geht nicht.


Michael Spreng wird heute Mittag mit anderen Journalisten im Presseclub über Thilo Sarrazin diskutieren. Und heute Abend ist Deutschlands beliebtester Demagoge Thema bei Anne Will. Zu Gast wird dort unter anderem die Sarrazin-Anhängerin Necla Kelek sein.