Samstag, November 27, 2010

Zweiter Inside-Report von der Geschlechterfront: "Das Feindbild Mann hat ausgedient!"

Während Eugen Maus und ich gestern noch inkognito ermittelten, was die feministische Basis so treibt, war AGENS-Mitglied Monika Ebeling ganz offiziell im europäischen Haus in Berlin, wo die Strategie der EU zu Gleichstellung von Mann und Frau vorgestellt wurde. Ich veröffentliche Monikas dabei entstandenen Text hier (bis auf die übliche redaktionelle Überarbeitung) im Original und mit nur einer Unterbrechung durch einen kurzen Kommentar von mir:

Das Feindbild „Mann“ hat ausgedient!

Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015

Am 26.11.2010 wurde im europäischen Haus in Berlin die europäische Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern vorgestellt und von in Deutschland für die Gleichstellung von Mann und Frau tätigen Partnern bewertet.

Auf dem Podium saßen, Daniela Bankier, Europäische Kommission, Matthias Lindner, Bundesforum Männer, Brigitte Triems, Europäische Frauenlobby, Eva Maria Welskop-Deffaa, BMFSJ, Henny Engels, Frauenrat

Also auch hier, wie bereits bei der Bundeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten d.J. in Wuppertal – ein Mann auf der Tribüne. Der Frauenrat ließ dann auch keinen Zweifel zu: Die Gleichstellung von Mann und Frau sei das wichtigste Thema des Frauenrates, man hätte an der Verwirklichung des Art. 3 des GG, die Gleichstellung von Mann und Frau, großes Interesse, ebenso an der Strategie der EU zur Gleichstellung von Frauen und Männern.


Gleichberechtigung! "Gleichberechtigung" steht im Grundgesetz, nicht "Gleichstellung", das ist ein wesentlicher Unterschied. Diese ständige rhetorische Taschenspielerei geht mir allmählich ein bisschen auf den Zeiger.

Das sei eine Gerechtigkeitsfrage; man wolle auf Augenhöhe miteinander umgehen. Die Hilfe und Unterstützung von Männern sei erforderlich. Mit dem Bundesforum hätte man einen starken Partner an „unserer Seite“. Solche Aussagen lassen aufmerken. Wer Hilfe nötig hat, ist am Ende mit seinem Latein, oder? Ist das Bundesforum, so wie es derzeit aufgestellt ist, wirklich ein „starker“ Partner, macht es doch einen freundlichen „Diener“ vor dem Feminismus.

Die Vertreterin der europäischen Kommission erläuterte, man hätte eine umfassende Befragung vorgenommen, um zu klären, ob „wir überhaupt eine Gleichstellungsstrategie in Europa brauchen?“ Sie teilte jedoch nicht mit, ob die Befragung Frauen und Männer zu gleichen Teilen berücksichtigt hatte.

Die neue Kommissionsbesetzung hätte eine Frauencharta verabschiedet. Dabei sei die Verpflichtung zur Gleichstellung von Mann und Frau und zum Gender Mainstreaming noch einmal unterstrichen worden. Auch Europa 2020 sei ein wichtiger Rahmen für Fragen der Gleichstellung.

Brauchen wir die Strategie zur Gleichstellung von Mann und Frau noch, hört das Publikum zum zweiten Mal.

Gleichstellung hätte viel mit Wahlmöglichkeiten von Mann und Frau zu tun, es solle beiden Geschlechtern möglich werden an den wichtigen Etappen ihres Lebens eine freie Wahl treffen zu können. Die vorgestellte Strategie sei Ausgangspunkt zur weiteren Zusammenarbeit die Männer inkludiert.

Es wurden die fünf prioritären Bereiche vorgestellt. Übrigens zeigt das Titelbild der Broschüre ein Gesicht, je zur Hälfte Mann und Frau und unterstreicht auch hiermit: Es geht um beide Geschlechter.

Dass dies nicht konsequent im Text der Broschüre umgesetzt wurde, liegt wohl daran, dass sich die Männerlobby in der Geschlechterdebatte gerade erst etabliert und noch Probleme mit dem Selbstbild hat, jedenfalls auf nationaler Ebene. „Wer darf mitspielen und wer nicht“ scheint im Bundesforum für Männer derzeit eine wesentliche Frage zu sein. Es reicht den bereits etablierten Akteuren eben nicht, einfach nur männlichen Geschlechtes zu sein und/oder sich für männliche Belange einzusetzen. Ein wesentliches Merkmal scheint zu sein, den Feminismus in Gänze mitzutragen, und gerade daran scheiden sich die männlichen Geister.

In dieser Veranstaltung war allerdings nicht die Rede von Vorbedingungen für Männer – im Gegenteil. Ein starker Partner an der Seite der Frauenlobby ist nicht jener, der sich anbiedert, sondern der, mit dem es sich zu „streiten“ lohnt, um neue Positionen erarbeiten zu können.

Zur Gewaltthematik fasste sich die Rednerin kurz, man hätte nur vereinzelte Aktionen (z.B. "Daphne") und noch zu wenig vergleichbare Daten in den Mitgliedstaaten. Man wolle aber das Phänomen besser verstehen, um wirksamer dagegen ankämpfen zu können. In der Kürze liegt die Würze, es ist also klar, das Phänomen ist noch nahezu unerforscht.

Es sei wichtig, Männer als Unterstützer und Förderer für die Gleichstellung „zum Einsatz zu bringen“,. Es sei ebenso wichtig, herauszufinden, wie Männer und Väter ihre Verantwortung in der Familie besser übernehmen können. Es seien die Ungleichheiten zu Ungunsten der Männer z.B. Gesundheit, Lebenserwartung und Bildung, hier z.B. die vorzeitigen Schulabbrecher, in den Blick zu nehmen. Auf das, was vielleicht Männerpolitik ist, sei in den nächsten Jahren ein besonderes Augenmerk zu legen. Die vielen „ähems“, mit denen die Rednerin nach den richtigen Worten suchte, seien ihr verziehen, sie konnte ja nicht wissen, dass es an dieser Stelle keine deftige Widerrede aus dem Publikum gab.

Man werde Jahresberichte erstellen und auf dieser Grundlage einen Dialog rund um den internationalen Frauentag herum initiieren. Ein neuer Spieler auf europäischem Boden sei das europäische Institut für Geschlechtergleichheit in Vilnius, man setze sehr viel Hoffnung in dieses Institut.

Das Bundesministerium für Familie, Soziales und Jugend fand es „heikel“, die Strategie zu kommentieren, aber mit Fug und Recht könne man sagen, dass das Zusammenspiel gut, wichtig und fruchtbar sei. Ganz überwiegend deckt sich die deutsche Strategie mit der der EU.

Man sei zutiefst davon überzeugt, dass „wir die Zeiten hinter uns lassen müssen, dass ausgerechnet Frauen die Frage der Gleichstellung lösen können“, so Welskop-Deffaa. Frauen und Männer müssen in die gleiche Richtung arbeiten, das sei dann ein großer Fortschritt. Weg von der Statusorientierung, hin zur Passagenorientierung sei Gleichstellungspolitik ein Suchprozess, und man müsse schauen, wie man das operativ hinbekomme.

Als das Bundesforum Männer aus seiner Sicht ergänzte, gab es deutliches Gemurmel und einige deplazierte Lacher im Publikum. Aber bitte, wer seine eigenen Standpunkte nicht der Lächerlichkeit preisgeben lassen möchte, der darf dies auch nicht tun, wenn ein männlicher Akteur, auch noch auf Einladung, seine Standpunkte offeriert.

Auf nationaler Ebene hätte man sich gerade erst gegründet, jetzt die Strategie zu kommentieren sei vielleicht vermessen. Seine Gefühle beim Lesen der Strategie könnten vielleicht mit denen einer Frau verglichen werden, die einen Text liest, in dem sie sprachlich „mit gemeint“ sei. Wir Männer werden nicht erwähnt, so Lindner.

Aus seiner Sicht müsse die Frage auch nicht heißen, welche Rolle Männer für die Gleichstellung spielen, sondern welche Gleichstellungsbedürfnisse Männer haben. Man müsse weg von der Objektorientierung hin zu den Subjekten. Man müsse auch auf die Nachteile des Mannseins aufmerksam machen. (Damit erntet er die besagten Lacher und das Gemurmel wurde groß.)

Männern stünden weniger Lebensentwürfe zur Verfügung als Frauen. Ein Männergesundheitsbericht sei richtig, denn die geringere Lebenserwartung von Männern müsse aufhorchen lassen. „Wie kriegen wir es hin, dass Männer sich besser um sich kümmern?“ fragt er ins überwiegend weibliche Publikum.

Das Thema Gewalt sei sehr heikel, aber aus männerpolitischer Sicht sei der größte Teil der Opfer männlich, auch im familiären Bereich seien die Täter- und Opferzahlen fast gleich groß. Seine Bitte, dort auch die männliche Perspektive zu berücksichtigen, untermauert er mit der Frage, welche Hilfe Männer erwarten können, und regt an zu überdenken, welchen Gewaltbegriff man wählen solle. „Wir stehen ihnen als neuer Partner zur Verfügung, wir würden uns freuen, wenn wir den Dialog aufnehmen würden“, so Lindner.

Bei so viel Übereinstimmung aller fragt Bankier für die EU-Kommission, ob die hohe Übereinstimmung vielleicht einen gewissen Grad an Müdigkeit zum Thema deutlich macht und stellt die bisherige Sichtweise ein drittes Mal in Frage. „Müdes“ Material steht ja bekanntlich kurz vor dem Zerfall, das werden Leser mit Fachkenntnissen aus dem Handwerk wissen.

Auf Nachfrage an die Vertreterin der Bundesregierung, ob denn Gleichstellungspolitik noch einseitig Frauenpolitik sein könne, heißt es: nein, definitiv nicht, und das sei „unsere innere Überzeugung“. Wenn wir Strukturen verändern wollten, dann ginge das nur in Kooperation mit den Männern. Diese Schwierigkeit machte sie am Beispiel des Amtes der Frauenbeauftragten, Gleichstellungsbeauftragten deutlich. Kann dieses Amt nur von Frauen wahrgenommen werden, wenn man diskutiert, was strukturell getan werden müsste? Es stünden leider eben nicht immer alle Frauen an der Seite der Männer.

Gender bedeute nicht, dass Männer und Frauen gleich seien, so Triems von der europäischen Frauenlobby. Man begrüße die Kombination des Gender mit speziellen Maßnahmen für Frauen und Männer.

Das Resümee der Veranstalter: Man hätte gelernt, dass der Geschlechterdialog neu justiert werden müsse, weil es neue Player gibt. Verwirrungen seien auszuhalten. Gender würde unterschiedlich wahrgenommen werden, und das sei vielleicht das Thema für eine nächste Veranstaltung.

Mein Fazit:

Das Feindbild Mann gibt es „offiziell“ nicht mehr, auch wenn es in einigen Köpfen noch gepflegt wird.

Gleichstellung kann nur im Dialog der Geschlechter auf Augenhöhe gelingen, so wie Sie es hier schon lange lesen können.

Was das für die Gleichstellungsarbeit vor Ort heißt, muss noch erarbeitet werden. Das Bundesministerium ließ auf Nachfrage verlauten, man wolle nichts vorschreiben, die Verwirrungen seien auszuhalten, dennoch ist es in der Pflicht, den Gleichstellungsbeauftragten auf die Sprünge zu helfen!

Die Marschrichtung ist deutlich geworden: MITeinander ist die Devise und deutlich mehr pro Mann, in der EU, auf nationaler Ebene, in der Landesregierung, in der Kommune.

Fragt sich nur, wie man das in die teilweise verhärteten Strukturen weiblicher Netzwerke hineinbekommt.