Die unsichtbare Mehrheit
In der Frankfurter Allgemeinen wirft Danyal Bayaz einen Blick zurück auf das schiefe Bild der Wirklichkeit, das entstanden ist, als bei der Integrationsdebatte ganz Deutschland nur durch "die sarrazinische Nickelbrille" geschaut hat. Ein Auszug:
Alle fühlten sich zum Mitreden berufen. Alle? Nicht alle! Es gibt ein gallisches Dorf, das die Ausnahme bildet. Es wird bewohnt von sogenannten Mehmet-Scholl-Türken. Diese sind meist junge Leute mit Migrationshintergrund, haben fast keinerlei Bezug zu ihrer ursprünglichen Herkunft und sprechen die Sprache, die ihr Name suggeriert, nur schlecht oder gar nicht. So wie Mehmet Scholl eben. Warum aber hört man von diesem Teil der Bevölkerung in dem ganzen Getöse um Integration eigentlich nichts? Warum sitzen sie nicht bei Anne Will auf dem Sofa? (...) Mehmet-Scholl-Türken werden nicht von chronisch beleidigten Funktionären türkischer oder islamischer Verbände vertreten, auch Necla Kelek ist ihnen fremd – genau die aber geben den Ton an in der Debatte und prägen so das öffentliche Bild der Migranten.
(...) „Mehmet Scholl ist ja aber kein richtiger Türke“, mögen die Kritiker jetzt entgegnen. „Du bist ja eine Ausnahme“ ist ein Satz, den jeder Mehmet-Scholl-Türke nur zu gut kennt. Der Kundenberater bei der Bank, die Polizeibeamtin, der Realschullehrer – Ausnahmen so weit das Auge reicht. Gibt es wirklich so viele Exemplare des Prototyps Mehmet Scholl, dass sie gar die Mehrheit innerhalb der Minderheit stellen? Die Empirie der Erfahrung zeigt: Es sind ziemlich viele „Ausnahmen“. Genaue Zahlen gibt es nicht, meist sind sie unsichtbar für die Statistik, absorbiert von der Mehrheitsgesellschaft. Es ist ja gerade charakteristisch für Mehmet-Scholl-Türken, nicht organisiert zu sein. Sie haben keine Lobby und sie brauchen keine. Für sie ist nicht wichtig, ob eine Ministerin Özkan oder Müller heißt, solange sie gute Politik macht. Sie fühlen sich eher auf den Arm genommen, wenn Mesut Özil einen Fernsehpreis in der Kategorie „Integration“ bekommt und dann in seiner dreisätzigen Dankesrede ziemlich holprig daherkommt.
Hier findet man den vollständigen Artikel.
Und in der taz verrät Hilal Sezgin in einem herrlich sarkastischen Artikel, welche Lektionen sie aus der Sarrazin-Debatte gelernt hat
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