Dienstag, März 08, 2011

Volker Zastrow (FAZ) über Guttenberg: "Anziehungskraft für Durchgeknallte"

In einer fulminanten, sehr ausführlichen Analyse blickt Volker Zastrow (FAZ) zurück auf das Phänomen Freiherr von Guttenberg und die irritierende Anziehungskraft, mit der ein Blender und Betrüger zahllose Bürger geradezu zu seinen Jüngern gemacht hat. Nur einige Schlaglichter aus dem langen Artikel:

An jenem Freitag begann das große Lügen. Wie immer man Guttenbergs Leistungen bewertet, diese gehört dazu: Er hat die halbe Republik und fast die ganze Union zum Lügen gebracht.

(...) Den letzten Konservativen würden wir erledigen. Was daran konservativ sein soll, eine Doktorarbeit zu fälschen, haben wir immer noch nicht verstanden. Einige wütende Leser, nicht selten: Leserinnen, gaben am Telefon freimütig zu, dass sie unseren Dreck gar nicht erst gelesen hatten.

(...) Guttenberg führte höchstpersönlich die Bewegung derer an, die nicht hinschauen wollten, unterstützt von zahllosen Unionspolitikern, die damit beschäftigt waren, der Öffentlichkeit einzureden, dass Lügen und Betrügen vielleicht nichts Großartiges ist, aber bei großartigen Menschen nicht weiter ins Gewicht fallen. Sie machten sich zu Einpeitschern von Personen, die unübersehbar das Urteil durch den Affekt ersetzten.

(...) Ein beträchtlicher Teil der Nation tanzte jetzt zu den Höllenglocken. Es war, als feiere das Böse sich selbst. Wie wunderbar, dass es Menschen gibt, für die keine Regeln mehr gelten! Die so stark sind, so schön, dass sie sich hinwegsetzen dürfen über den ganzen Mist, der, geben wir es doch zu, uns alle immer irgendwie bedrückt. Einen solchen Mann lassen wir uns nicht kaputtmachen! Auf Facebook vernetzten sich flackernde Guttenberg-Fans in Echtzeit. Und wer noch auf das Telefon angewiesen war, rief bei Springer an und stimmte für ihn ab - das war es, was Bundestagspräsident Norbert Lammert den „Sargnagel“ der Demokratie genannt hatte.


Der Populismus hat nicht gesiegt. Auch Guttenberg musste gehen. Aber da ist noch jemand an der Macht:

Im Kabinett sitzt noch eine Politikerin mit feiner Nase und ewigem Lächeln, bei der das ähnlich ist: Ursula von der Leyen. Auch sie stilisiert sich zum Übermenschen, fummelte an ihrem Lebenslauf, erzielte ihre Erfolge im Grunde gegen ihre Partei, organisierte sich ihre Zustimmung gleichsam direkt im Volk - mit dieser ungemein feinen Nase, dieser traumwandlerischen Sicherheit für das, was gefällt. Und dieser Gleichgültigkeit dagegen, wie man es hinkriegt, wer es bezahlt und wem man damit in die Quere kommt.


Mal schauen, wie lange das noch gutgeht.

Volker Zastrows Artikel ist definitiv in Gänze lesenswert.