Donnerstag, Mai 26, 2011

Kachelmann-Prozess: Tag der Abrechnung

Gisela Friedrichsen berichtet auf Spiegel-Online fulminant über das Abschlussplädoyer der Verteidiger im Kachelmann-Prozess:

Die Staatsanwaltschaft, wieder mit drei Mann vertreten, schien von Stunde zu Stunde mehr in sich zusammenzusinken. Als ob mit einem Mal alle Luft entwichen wäre. Keiner der Herren in den schwarzen Roben mit Samtkragen lachte, es wurde nicht geflüstert, niemand schüttelte den Kopf, keiner schrieb mit oder zeigte sonst irgendeine Bewegung. Wie gelähmt saßen sie da, mit versteinerten Gesichtern, Werner Mägerle etwas gelöster vielleicht als die Herren Oltrogge und Gattner. Doch Mägerle hatte mit der Sache ja auch relativ wenig zu tun gehabt.

Die Nebenklägerin hatte ihren Stuhl so gedreht, dass sie keinem Blick Kachelmanns, der oft zu ihr schaute, oder seiner Verteidiger hätte begegnen müssen. Ihr Anwalt, von massiger Gestalt, im rechten Winkel vor ihr, gewährte zwar ihren Augen Zuflucht. Doch vor dem, was sie zu hören bekam, konnte auch er sie nicht schützen. Als sie am Ende den Saal verließ, schien sie kurz zu schwanken. Es muss die Hölle für sie gewesen sein.

Der Saal im Mannheimer Gerichtsgebäude war voller als bei den Plädoyers der Staatsanwaltschaft. Fast alle, die über Anklage und Prozess gegen Jörg Kachelmann je berichtet hatten, waren anwesend. Es fand nämlich die große Abrechnung mit all jenen statt, die sich bis zuletzt siegesgewiss an einer weiteren Beschädigung des Angeklagten gelabt hatten.


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Die Hauptzeugin des Prozesses, das mutmaßliche Opfer, hatte nicht nur die Staatsanwaltschaft über Wochen hinweg belogen, sondern die Polizei, ihren eigenen Anwalt und ihren Psychotherapeuten gleich mit. Nur durch das hartnäckige Insistieren von Kachelmanns Anwaltsteam konnte das Lügengespinst überhaupt aufgedeckt werden. Dementsprechend erklärte Kachelmanns Verteidigerin Andrea Combé in ihrem Plädoyer: "Wenn ein Beschuldigter derart Lügen erfände, sie aufrechterhielte und mit so großer Umsicht vorginge, spräche man von 'hoher krimineller Energie'."

Bisher waren Vergewaltigungsprozesse auch nach einem Freispruch für das weitere Leben eines offenbar zu Unrecht Beschuldigten katastrophal – man denke hier nur an den Fall Andreas Türck. Im Prozess um Jörg Kachelmann forderte dessen Verteidiger Johann Schwenn, ein solches Verfahren könne nicht einfach mit Freispruch "erledigt werden". Niemand dürfe den falschen Vorwurf einer Vergewaltigung erheben, ohne Folgen befürchten zu müssen. Es wäre in der Tat sehr zu wünschen, wenn sich gegen entsprechende Falschaussagen endlich eine harte Linie durchsetzt.