Sonntag, Januar 22, 2006

22. Januar 2006

Es gibt neue lesenswerte Beiträge zu der Debatte darüber, ob man israelische Verbrechen gegen die Menschenrechte deutlich oder nur sehr verhalten kritisieren darf, hier festgemacht an dem Autor Hajo Meyer, einem Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz, und den Protesten gegen seine Texte.

So verteidigt Meyer der Geschichtsforscher und Journalist Shraga Elam: „Wenn Hajo Meyer die mit eigenen Augen gesehene Situation in den von Israel seit 1967 besetzten Gebieten mit den eigenen Erfahrungen in NS-Deutschland der 1930er Jahre vergleicht, so ist es absolut sein Recht und sogar Pflicht, diese seine subjektive Wahrnehmung als Mahnung publik zu machen. Denn wer zu Verbrechen schweigt oder sogar die Meldungen über sie unterdrückt, macht sich mitschuldig. Dies zeigen eindeutig die jüdischen Erfahrungen. (…) Wenn Sie sich über die Zukunft Israels und die Juden und Jüdinnen sorgen, dann muss es Ihnen ein Anliegen sein, vor diesen gefährlichen Entwicklungen zu warnen. Israel geht durch eine grosse eskalierende Dauerkrise. Die Gewaltanwendung (auch intern), Armut und Korruption erreichen erschreckende Dimensionen und die Rechtsradikalen spielen eine nicht zu übersehende Rolle. Dies sind bekannte und fast klassische Komponenten, die nicht verdrängt werden dürfen.“

Ähnlich argumentiert Achim Müller: Meyer moniere, „dass man die anti-jüdische NS-Politik immer nur mit dem Holocaust in Verbindung brächte, jedoch die schon davor stattfindende Ausgrenzung, Entwürdigung, Terrorisierung der Juden ausblende, denn nur dort sieht er – aus eigener Erfahrung - den Vergleich mit der israelischen Besatzungspolitik!“ In seinem Bericht schildert Müller auch die anhaltenden Attacken gegen Meyers jüdischen Verleger Abraham Melzer: „Dies gehe sogar soweit, dass Kunden des Melzer-Verlages mit einstweiligen Anordnungen und ähnlichem bedroht werden, wenn sie bestimmte Bücher, wie z. B. die Bücher von Rupert Neudeck, ins Sortiment nehmen wollten.“ Immerhin scheint man von öffentlichen Bücherverbrennungen derzeit noch Abstand zu nehmen. Das Gesamtbild ist dennoch nichts weniger als bedrückend.