28. Januar 2006
Zum gestrigen „Broder-Urteil“ gibt es inzwischen erste Zuschauerreaktionen. Bevor wir zu einer kleinen Presseschau kommen, haben Leserzuschriften an dieses Blog natürlich Vorrang. Über den Stil, in dem ich das Thema präsentiere (in Form einer journalistischen Glosse) sind die Bewertungen unterschiedlich: Während die einen sich über meine Darstellungsweise sehr amüsieren, vermissen die anderen den von mir im politischen Bereich gewohnten Stil einer nüchternen Analyse. (Ich werde in meinen Büchern und Artikeln bei der Sachanalyse bleiben und hier in meinem privaten Blog bei der Glosse, wenn sie sich anbietet: Es gibt nun mal Themen, die ich ernst nehmen kann, und andere, bei denen das weniger der Fall ist.) Ein Leser sendet mir drei Einwände zu meinem letzten Posting:
„1. Das Urteil gegen Broder ist alles andere als eine nüchterne juristische Analyse. Die Richter waren in substantieller Hinsicht überfordert, versuchten aber gleichsam, ihr Bestes zu geben und haben sich in Inkonsistenzen verwickelt. Sie besaßen nicht den Mut zu sagen, dass die anhängigen Fragen letztlich nicht juristisch entschieden werden können. Richtung: `Das Verfahren wird eingestellt, die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten hälftig. Wir wünschen allen Parteien und Zuschauern Gesundheit und alles Gute für ihre Zukunft.´
2. Für Broder hätte man durchaus wegen Beleidigung des Gerichts noch eins drauflegen können, nachdem er vor dem Prozess die Richter pauschal als Erben Freislers bezeichnet hat. Bei günstiger Gelegenheit wird sich Broder darauf berufen, dass diese Beleidigung heute nicht sanktioniert wurde.
3. Von einem `Broder-Urteil´ zu sprechen ist das Pathos, das Broder braucht, um Beachtung zu finden.“
„Honestly Concerned“ ist über meine Berichterstattung eher wenig angetan und verweist auf meine letzten Blogeinträge inzwischen unter der Überschrift, es werde bereits jetzt begonnen, das Urteil zu mißbrauchen. Denselben Vorwurf traf das Palästina-Portal von Erhard Arendt, der nun nichts anderes tat, als auf die Existenz des Urteils zu verweisen und es zu verlinken – offenbar gilt einigen heutzutage schon das bloße Zitieren eines amtlichen Gerichtsurteils als Missbrauch. Ich muss schon sagen, liebe Honestlys: Ein bisschen mehr Unterstützung hätte ich mir von den Jungs, deren Wirken ich in „Warum Hohmann geht und Friedman bleibt“ so viele Zeilen gewidmet habe, schon gewünscht! (Bevor jemand fragt: Es ist noch komplett unklar, ob auch die aktuellen Attacken gegen Herrn Melzer und seine Autoren in eine denkbare zweite Auflage übernommen werden.)
Im Umgang mit dem deutschen Rechtsstaat hat „Honestly Concerned“ einen ganz originellen Standpunkt gefunden: Was irgendein dahergelaufenes deutsches Gericht zur strittigen Angelegenheit sage, sei ja wohl ziemlich schnuppe - da könne ja sonst jeder kommen! Die konkrete Ausformulierung dieser bemerkensweren These findet sich hier.
Derweil beginnt Samuel Laster seinen Beitrag in der „jüdischen“ mit dem schönen Satz: „Ein deutsches Gericht urteilt am Tag des Gedenkens an die Shoah gegen den Publizisten Henryk M.Broder und für den `Irren aus Neu-Isenburg´“. Wer nach dieser Einleitung einen fairen Artikel über das Gerichtsurteil erwartet, ist selbst dran schuld – zum Schluss zeigt sich Laster sogar sprachlos über Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, weil dieser sich nicht klar auf die Seite Broders stellte.
Was gibt es denn nun an ernstzunehmenden Kommentaren aus der Presselandschaft? Nicht sehr viele, sooo wichtig war dieser Prozess den meisten Journalisten dann doch nicht. Die „Frankfurter Allgemeine“ befindet, dass Broder „zuweilen redet, bevor er denkt“ und erklärt noch einmal, aus welchem Interesse heraus einige Juden allzu scharfe Kritik an den Greueln der israelischen Besatzung lieber unterbinden möchten. In der „taz“ zeigt sich Daniel Bax über das Urteil gegen Broder eher unglücklich (was das Gericht als eine persönlich herabsetzende Schmähkritik befand, sieht Bax noch innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit), räumt aber immerhin ein, dass der Vorwurf des Antisemitismus gegenüber Juden, die sich kritisch über Israel äußern, geradezu inflationär geworden sei. In derselben Zeitung vermeldet Heide Platen: “Der Streit werde aber weitergehen. Der tobt indessen im Internet mit wachsender Beteiligung weiter und wird noch eine Anzahl bundesdeutscher Gerichte beschäftigen.“
In der Tat – man hätte darauf wetten mögen, dass Broder sich nicht sehr lernfähig zeigt und nach einer Revanche lechzt. Dabei ist Melzer bekanntlich nicht mal der einzige, der von Broder juristisch und anderweitig angegangen wird - so hat halt jeder seine Hobbys. Schade, dass es im deutschen Justizwesen nur einige wenige Instanzen gibt und nicht mehrere hundert. Aber im Zweifel fällt wenn nicht Broder, dann sonst irgendwem eine neue persönliche Diffamierung ein, und dann geht der ganze Spaß wieder von vorne los. Die interaktive Endlos-Soap wird so ganz bestimmt nicht langweilig.
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