7. April 2006
Beängstigende Verhältnisse: Wie ich hier schon berichtet habe, wurde gegen den israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery von einem Politiker seines Landes zum Mord aufgerufen. (Eine Sonderseite dazu gibt es hier.) Das PEN-Zentrum Deutschland hat inzwischen einen Appell an die israelische Regierung gerichtet: Man nehme zwar nicht an, dass die israelische Armee diesem Aufruf nachkomme, wisse jedoch spätestens seit der Ermordung Rabins, wie schnell solche Mordhetze andere Täter auf den Plan rufe. Auch das Auswärtige Amt versprach, auf die israelische Regierung einzuwirken, und nicht zuletzt bittet Rupert Neudeck nachdrücklich um Unterstützung für den mit dem Tode bedrohten Menschenrechtler.
Zeitgleich mit den Morddrohungen wird jedoch in Beiträgen auf Henryk Broders „Achse des Guten“ und in geistesverwandten Blogs tüchtig gegen Avnery Stimmung gemacht: In der Gesamtsicht wirken diese Beiträge fast so, als wolle man der eigenen Zielgruppe klarmachen, dass es, falls der Friedensaktivist ausgeknipst werde, um ihn ohnehin nicht besonders schade wäre – mindestens aber ist der Zeitpunkt für solche Anfeindungen ausgesprochen fragwürdig. Ansonsten herrschte zu den Morddrohungen lange beredtes Schweigen – bis gestern, als Henryk Broder sich dazu noch einmal zu Wort meldete. Eine Distanzierung, ein Erschrecken über das Ausmaß des mitgezüchteten Hasses, ein Aufruf zur Mäßigung? Nichts von alldem, sondern nur das gewohnte Abwiegeln: Der Mordhetzer sei ohnehin nicht ins Parlament gewählt worden, somit wäre jegliche Empörung nicht einmal ein Sturm im Wasserglas. Nicht einmal im Parlament - na dann ist ja alles in Butter, Broder. Und wenn gegen Sie einmal ein rechtsradikales Arschloch einen Mordaufruf starten würde und das im deutschen Fernsehen mit Ihrem Foto im Hintergrund lang und breit ausführen dürfte, wäre das vollkommen schnuppe und keiner weiteren Erwähnung wert, solange der Galgenvogel nur nicht im Bundestag hockt: Glaube ich Ihnen auf´s Wort.
So weit, so widerlich, aber auch so altbekannt, dass es eigentlich keines Kommentars würdig wäre. Für liberale Journalisten bemerkenswert ist es allerdings, dass die jüdische Lobby (die man unter der Strafe des Antisemitismusvorwurfs nicht als solche benennen darf) noch einen Schritt weiter geht: Während etliche deutsche Journalisten, möglicherweise aus Angst, andernfalls als Nazis abgewatscht zu werden, den Mordaufruf gegen Avnery brav ignorierten, berichtete Ernst Grandits auf 3sat-Kulturzeit sehr wohl über diesen Vorfall. Dafür bekommt er jetzt ebenso Druck zu spüren wie schon all die anderen zuvor, die ähnliche Vorgänge in Israel zu thematisieren gewagt hatten: „Ernst Grandits,unser bewährter Potz des Monats, ist nicht geeignet eine Kultursendung mit Informationsauftrag zu moderieren. Der Intendant ist gefragt.“ heißt es inzwischen von Samuel Laster in der „Jüdischen“. Zu deutsch: Ein Journalist, der über die Morddrohungen gegen Avnery berichtet, solle gefälligst seinen Job verlieren. Wieviele aus der in Mailinglisten organisierten Lobby sich mit entsprechenden Mails und Telefonaten an 3sat wandten, kann man nur raten.
Am Ende seines Artikels befindet Laster, der mutige 3sat-Moderator sei „untragbar, intellektuell nicht satisafaktinsfähig“. Das braucht man dann nicht einmal mehr zu kommentieren.
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