Samstag, Mai 20, 2006

20. Mai 2006

Es gibt einen neuen Karikaturenstreit – von dem Sie in den Nachrichten aber vermutlich eher wenig erfahren. Jetzt nämlich hat nicht muslimischer, sondern jüdischer Druck dazu geführt, dass sich Politiker für die Veröffentlichung eines Cartoons entschuldigten. Und selbstverständlich wird von jüdischer Seite die Entlassung des zuständigen Redakteurs gefordert, dessen Karikatur auf die Menschenrechtsverletzungen an den Palästinensern aufmerksam macht. Jetzt warten wir natürlich alle mit angehaltenem Atem auf klare Worte jener Polit-Grüppchen, die im Fall der rassistischen Jylland-Posten-Karikaturen forderten, sich ohne jedes Wenn und Aber hinter die westliche Errungenschaft der Pressefreiheit zu stellen und die jegliche auf Druck erfolgende Entschuldigung als schlimmen Sündenfall ablehnten. Irgendwie habe ich allerdings den Eindruck, dass das Argument von wegen "Liberalität" und „Pressefreiheit“ hier nur sehr strategisch und leutselig im ideologischen Krieg verwendet wurde und die Betreffenden zehnmal lieber vor der fremden Tür kehren als vor der eigenen.

Vielleicht bin ich aber auch nur unfair, und unsere neokonservativen Freunde haben schlicht alle Hände voll damit zu tun, dass Folterlager Guantanamo ihren Lesern immer noch als leicht mangelhaftes Feriencamp zu verkaufen. Dort kam es gestern zu einer Revolte, nachdem vier Häftlinge versucht hatten, sich das Leben zu nehmen. Insgesamt gab es seit Existenz dieses Lagers 41 solcher Selbstmordversuche. Das UNO-Komitee gegen Folter fordert inzwischen die Schließung des von Henryk Broder, Michael Miersch und Co. immer wieder energisch verteidigten Lagers.

Ebenfalls heute in den Nachrichten: Einer Studie des BKA zufolge sei der Islam keineswegs die Ursache für die Ehrenmorde, die inzwischen fast automatisch mit ihm in Verbindung gebracht werden. Solche Taten gebe es nämlich auch in christlichen Familien, sowohl im Nahen Osten als auch in Europa. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass sie weiterhin im Religionskrieg der christlich-jüdischen gegen die muslimische Fraktion instrumentalisiert werden dürften.