Mittwoch, Dezember 20, 2006

Hassprediger auf beiden Seiten

Einen gelungenen Beitrag zur gegenwärtigen Auseinandersetzung mit dem Islam gibt es heute von Robert Misik in der taz:

(...) Wenn man den Kampf der Kulturen nur lange genug beschwört, dann kriegt man ihn am Ende auch. Längst erleben wir mit voller Wucht einen "Zusammenprall von emotionalisierten Öffentlichkeiten auf einer globalen Bühne", wie Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung schrieb. Das Zerrbild von "dem Westen" gegen "den Islam" bildet mittlerweile einen derart festen Rahmen, dass sich jedes Vorkommnis nahezu von selbst einpasst. Wenn deklassierte türkische Kids am Schulhof für Rambazamba sorgen, dann ist nicht die soziale Lage oder ihre Zukunftslosigkeit daran schuld, sondern der Islam: "Sie" passen einfach nicht zu "uns". Lahore, Neukölln, Gaza - egal, da wird kein großer Unterschied mehr gemacht. Und umgekehrt: Wenn ein gewalttätiger Junkie in Bremen seinen Sohn erschlägt und in den Eiskasten steckt, dann ist das in Teheran Stadtgespräch - und man ist sich einig, dass man Gott sei Dank mit dieser dekadenten westlichen Kultur nichts zu tun hat. (...) Die relativ neue Spezies der westlichen Liberalmilitanten beschwört im Gegenzug einen täglichen Kampf gegen den islamischen Totalitarismus. Wo drei Männer mit Vollbart beieinander stehen, wittern sie eine Bedrohung von Freiheit, Abendland und Frauenemanzipation. Da kann einer noch so ein grober Macho sein, wenn es um muslimische Frauen geht, wird er in Sekundenschnelle zum Feministen. (...) Ein ganzes Autorensegment beliefert dementsprechend die literarisierten Schichten schon mit Kampfprosa. Handliche Hasspredigten wie die jüngste von Henryk M. Broder halten sich erschütternd lange auf erschütternd avancierten Plätzen der Bestsellerlisten. (...) Und auf beiden Seiten geht es auch nicht ohne eine gehörige Prise Angstlust. Mit selbst viktimisierender Hingabe sehen sich oft auch durchaus arrivierte und respektierte Muslime als "Opfer" westlicher Dominanz, wohingegen mancher Verteidiger "westlicher Werte" den Kitzel kaum verbergen kann, den ihm die Panik vor den Muslimen bereitet. (...)


Das ist bestens beobachtet und deshalb einfach nur sehr wahr. Broder und Konsorten schüren hier eine Welle der Angstlust, auf der sie dann "erfolgreich" surfen können. Dasselbe geschieht umgekehrt in der islamischen Welt. Und statt dass sich die Betreffenden mit ihren eigenen Macken und Vorurteilen auseinandersetzen, schlagen sie hasserfüllt auf ihre Spiegelbilder in der jeweiligen Gegenkultur ein. Das Ganze wird befeuert von einem Medienzirkus, der solche Konflikte und Angstszenarien für Quote und Auflage braucht und die Hassprediger deshalb durch Feuilletonseiten und Talkshows kreisen lässt, statt sie schlicht zu ignorieren (oder, wie Misik das tut, die Schwächen in ihren einfach gestrickten Feindbildern aufzuzeigen). So wird der "Kampf der Kulturen" zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

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