Montag, Oktober 04, 2010

"Eigentümlich frei": Welche Hoffnungen gibt es auf eine bürgerliche Partei rechts der Union?

In ihrer aktuellen Ausgabe fühlt unsere liberal-libertäre Zeitschrift "eigentümlich frei" drei Neugründungen im deutschen Parteienspektrum auf den Zahn: dem liberalen Aufbruch in der FDP, der "Partei der Vernunft" und der Partei "Die Freiheit". Sprecher aller drei Neugründungen wurden explizit auch nach der etwa von Norbert Bolz geforderten neuen bürgerlichen Rechtspartei gefragt, die unter anderem wieder für eine "christliche Leitkultur" stehen solle. Die Antworten der Interviewten sind im Kontext dieses Blogs durchaus bemerkenswert.

Frank Schäffler vom Liberalen Aufbruch in der FDP stellt klar:

Nein, eine bürgerliche Rechtspartei ist nicht das Ziel. Die FDP muss als Partei erkennbar sein, die rechtsstaatliche Grundsätze und den Schutz der individuellen Freiheit in allen Politikbereichen durchsetzt. Diese Grundsätze richten sich nicht an besondere Schichten oder Einkommensgruppen, sondern an alle.


Aaron König von der Partei "Die Freiheit" verdeutlicht zunächst, dass man "die politische Ideologie des Islamismus (...) streng von der Religion des Islam trennen muss" und positioniert sich damit immerhin links von Gestalten wie Henryk Broder und Ralph Giordano (was nicht schwer ist). Zur Frage nach einer neuen konservativen Rechtspartei erklärt er:

"Konservativ" finde ich als Begriff zu unpräzise, es kommt ja immer darauf an, was da konserviert werden soll. (...) Religion und Familie halten wir für Privatsache, daraus sollten sich sowohl die Regierung als auch die Parteien heraushalten. (...) Wir sind daher offen für alle freiheitsliebenden Menschen, egal ob sie in ihrem Privatleben Christen, Juden, Muslime, Buddhisten oder Atheisten sind – vorausgesetzt, sie teilen unsere Werte.


Und Oliver Janich von der "Partei der Vernunft" antwortet auf die Frage nach einer neuen bürgerlichen Rechtspartei:

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was das soll. Wir leben in unserer Partei konservative und christliche Werte wie Ehrlichkeit, also Wahrheit, Zuverlässigkeit, Vertrauen und Nächstenliebe. Was soll "rechts" sein? Jeder Einwanderer ist uns herzlich willkommen, wenn er hier arbeitet. (...) Es ist wahnwitzig, die relativ kleine liberale Opposition auch noch aufzuspalten.


Das ist doch ein bemerkenswertes Rumgedruckse. Erstaunlicherweise kann sich sogar unter den politischen Neueinsteigern und Außenseitern innerhalb des fraglichen Spektrums kaum ein Politiker ernsthaft für die derzeit so stark propagierte "bürgerliche Kraft rechts von der Union" a la Sarrazin & Co. begeistern. Seltsam: Wenn man bestimmte Schriften (einschließlich "eigentümlich frei") so liest, sind doch gut neunzig Prozent der Bevölkerung dafür? Tatsächlich scheint aber einschließlich der Rechtskonservativen selbst so ziemlich jeder zu wissen, dass man sich mit solchem Zahlenzauber nur etwas vormacht. Eine auch nur halbwegs relevante Zahl von Wählern ist in diesem Lager nicht zu holen.