Baden-Württemberg: Piraten Erste unter den Splitterparteien
Jetzt ist es also passiert: Jahrzehntelang hieß es, Baden-Württemberg sei so konservativ, da könne die CDU auch einen Besenstiel als Kandidaten für den Ministerpräsidenten aufstellen, und die Leute würden ihn wählen. Das hat sich seit gestern erledigt.
Auch von den angeblichen 18 Prozent Wählerpotential rechts von der Union, von denen im letzten Herbst einige Ideologen heftig schwadronierten, fehlt jede Spur. Wo bei den großen Parteien die Grünen triumphierten, landeten bei den kleinen eben nicht Republikaner & Co. vorne. Auf einer NPD-Webseite heißt es heute motzig "Der Wähler hat heute ein klares Votum für Multi-Kulti abgegeben"; auf "Politically Incorrect" schwelgen viele in Angstzuständen. (Ein typischer Kommentar dort: "Nach der Hochrechnung die durch Al Jazera in die arabische Welt ausgestrahlt wurde, berichtet man von Freudentänzen in Gaza Streifen, auch Ahmadiendschad war einer der ersten der den neuen Ministerpräsidenten gratulieren durfte. Durch die islamische Welt ertönt ein Schlachtruf: AAALLLLHHHUUU AKKBBBARRR!!!!") Vorne lag unter den Splitterparteien eine Partei, deren Kernthemen keineswegs monatelang von Deutschlands führenden Medien gepusht wurden – die Piraten. Über deren Achtungserfolg – insgesamt 2,1 Prozent, allerdings zehn Prozent bei den männlichen Erstwählern – berichtet unter anderem Heise und die BILD. Und der SWR quält in einem Interview den jüngsten Kandidaten für den baden-württembergischen Landtag, den 19jährigen Timo Czerwonka, mit Fragen wie "Sie haben von Männern den höchsten Zuspruch bekommen – fehlen Ihnen die Frauen?"
Die Piratenpartei Baden-Württemberg äußert sich zum Wahlausgang auch auf ihrer Website. Dort heißt es unter anderem:
"In diesem Wahlkampf hatten es kleine Parteien sehr schwer. Es war eine reine Lagerwahl – Inhalte abseits von Atomstrom und Stuttgart 21 sind völlig untergegangen. Dass wir unter diesen Bedingungen 2,1% der Stimmen holen konnten zeigt, dass wir langfristig Politik mitgestalten können."
Auch in Hessen, wo gestern Kommunalwahlen stattfanden, äußert man sich durchaus zufrieden:
Nach der Auszählung der reinen Listenstimmen zeichnet sich für die PIRATEN in Hessen ein positives Bild ab. Bei allen Stadt- und Kreistagswahlen gelang der Einzug in die Parlamente, zur Zeit rechnet die Piratenpartei mit ingesgamt 27 Mandaten.
Es ist aber auch klar, dass der Weg über die 5-Prozent-Hürde für die Piraten noch lang und schwer sein wird. Womöglich können sie ihn auch niemals erfolgreich beenden – solange ihnen nicht beim Thema Internet kurz vor einer Wahl ein ähnlicher Aufreger zur Hilfe kommt wie jetzt den Grünen bei ihrem Kernthema Atomkraft. Bis auf Weiteres ist es näherer Überlegung wert, was die Piratenpartei auch außerhalb der Parlamente politisch bewegen kann.
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