Donnerstag, Juni 30, 2011

"Kachelpanik": Wie die "taz"-Soziologin Ilse Lenz ihre Leser irreführt

Bei der "taz" hat die Gender-Soziologin Ilse Lenz gemerkt, dass durch uns Männerrechtler Falschbeschuldigungen bei Vergewaltigungen plötzlich Thema geworden sind. Sichtlich bemüht und mit einigem rhetorischen Aufwand, versucht sie nun gegenzusteuern. Nur ein Auszug aus dem insgesamt lesenswerten (wenn auch im negativen Sinne) Artikel:

So fragt etwa der Publizist und "Männerrechtler" Arne Hoffmann vom Verein AGENS zunächst besorgt: "Sind Sie der nächste Jörg Kachelmann?", um gleich hinterherzuschieben: "Polizisten und Wissenschaftler: Bei Vergewaltigungsvorwürfen lügen Frauen häufig." Obwohl die Studie genau das Gegenteil belegt, zitiert Hoffmann selektiv diese eine Äußerung, "dass deutlich mehr als die Hälfte der angezeigten Sexualstraftaten vorgetäuscht" würde, um zu dem Schluss zu kommen: "Von einer hohen Zahl an Falschbeschuldigungen geht auch die Untersuchung ,Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern', herausgegeben im Jahr 2005 vom Bayrischen Landeskriminalamt, aus." Hoffmann zitiert auch einen britischen Polizisten, der unter dem Pseudonym Inspector Gadget in seinem Weblog schreibt, "dass von zehn Vergewaltigungen, die unserer Dienststelle gemeldet werden, sich mindestens acht als Unfug herausstellen. Um fair zu sein, acht von zehn Irgendwas, die unserer Polizeidienststelle gemeldet werden, sind Unfug - warum sollte es mit Vergewaltigung anders sein?" Auch bei dem antifeministischen Verein Manndat dient die Umdeutung der BLK-Studie dazu, weitreichende politische Forderungen zu stellen.


Wie so oft, wenn die "taz" versucht, Männerrechtlern Kontra zu geben, bekommt sie ihre Fakten nicht ganz auf die Reihe. Zunächst einmal ist es Unsinn, wenn Ilse Lenz behauptet, die Studie des Bayrischen LKA belege "das genaue Gegenteil" meiner Präsentation. Diese These versucht sie damit zu stützen, dass die Zahl der Anzeigen wegen Falschbeschuldigungen so gering sei. Ironischerweise bekommt ein Chefredeakteur der so oft angeprangerten BILD hier die Fakten besser auf die Reihe als die "taz", wenn er den Inhalt der LKA-Studie zusammenfasst:

Mindestens (!) ein Fünftel bis zu einem Drittel der Vorgänge sei „zweifelhaft“ und aufgrund der Gesamtumstände (widersprüchliches Verhalten des Opfers vor oder nach der Tat, Erinnerungslücken, Fehlen von Spuren, widersprüchliche oder wenig detaillierte Aussagen, Alkoholisierung) eher als falsche Verdächtigung respektive Vortäuschen einer Straftat zu werten.

Trotz der hohen Zahl an zweifelhaften Anzeigen würden nur in den seltensten Fällen Verfahren wegen falscher Verdächtigung oder Vortäuschen einer Straftat eingeleitet, nämlich in der Regel nur dann, wenn das „Opfer“ ein Geständnis ablege. Selbst dann käme es häufig wegen schwerer psychosozialer Störungen des „Opfers“ zur Einstellung des Strafverfahrens.


Des weiteren tut Ilse Lenz so, als zitiere ich nur einen obskuren britischen Polizisten und eine singuläre Äußerung aus der Studie des Bayrischen LKAs. Schauen wir uns hierzu die zentralen Passagen meines Artikels noch einmal kurz an, die Ilse Lenz auf seltsame Weise überlesen haben muss:

Der Soziologe Dr. Eugene Kanin, der die Polizeiprotokolle einer Stadt in Indiana über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg überprüfte, fand dabei heraus, dass 41 Prozent aller behaupteten Vergewaltigungen dem Zugeständnis der Frauen selbst zufolge nie stattgefunden hatten. Als Kanins Team etwas später die Polizeiakten zweier größerer Universitäten untersuchte, stellten sich exakt 50 Prozent aller Anschuldigungen nach eigener Aussage der Studentinnen als falsch heraus. Alle Studentinnen wurden von einer Polizistin befragt; ihre Berichtigungen stimmten mit den Darstellungen der vermeintlichen Täter überein. Dabei kann Kanin nicht als frauenfeindlicher Chauvinist abgetan werden: Seine grundlegenden Studien über "sexuelle Aggressionen im männlichen Werbeverhalten" begannen schon in den Fünfzigern und werden heute noch in der feministischen Literatur zitiert.

(...) Der amerikanische Geschlechterforscher Warren Farrell berichtet in seinem Buch "Mythos Männermacht" folgendes: "Als die amerikanische Luftwaffe 556 Fälle von angeblicher Vergewaltigung untersuchte, gaben 27 Prozent der Frauen zu, gelogen zu haben (entweder kurz vor dem Test mit dem Lügendetektor oder nachdem sie ihn nicht bestanden hatten). Es gab aber auch Fälle, die unklar waren und von drei unabhängigen Personen genauer erforscht wurden. Die Gutachter richteten sich nach den 25 typischen Kriterien bei falscher Beschuldigung. Wenn alle drei zu dem Schluss kamen, dass keine Vergewaltigung vorlag, wurde der Fall entsprechend unter falscher Beschuldigung eingeordnet. (Es ging bei dieser Untersuchung nicht um Bestrafung, sondern um Forschung.) Das Resultat war, dass sich 60 Prozent der Vergewaltigungsanzeigen als haltlos erwiesen. Dr. McDowell, der Sonderbeauftragte der Luftwaffe, hatte Bedenken, seine Ergebnisse zu veröffentlichen, weil er dachte, sie träfen vielleicht nur auf das Militär zu und könnten nicht verallgemeinert werden. Daraufhin studierte er in zwei größeren Städten die Unterlagen der Polizei. Auch hier bestätigte sich, dass 60 Prozent der Anzeigen ungerechtfertigt waren, doch die Städte baten um Anonymität, weil sie politische Folgen fürchteten."

Am 26. Februar schließlich berichtete 2011 Sabine Rückert in der "Zeit" über die Hamburger Opferambulanz unter Professor Püschel, wo Opfer von Vergewaltigungen und anderen Gewalttaten ihre Verletzungen von Fachleuten dokumentieren lassen können, um so später vor Gericht ihr Recht zu bekommen. Allerdings berichtet Püschel von einem starken Anteil sogenannter "Fake-Fälle", bei denen Frauen sich selbst zugefügte Wunden präsentieren: "Früher sei man in der Rechtsmedizin davon ausgegangen, dass es sich bei fünf bis zehn Prozent der vermeintlichen Vergewaltigungen um Falschbeschuldigungen handelte, inzwischen aber gebe es Institute, die jede zweite Vergewaltigungsgeschichte als Erfindung einschätzten."

Viele Faktoren spielen mit hinein, wenn es darum geht, welche Häufigkeit an Falschbeschuldigungen eine Studie ermittelt. Dazu kann auch der Ort gehören, wo man diese Studie durchführt. So gelangte eine Untersuchung der "Washington Post" in verschiedenen Bezirken der USA zu dem Ergebnis, dass sich jede vierte erhobene Vergewaltigungsanzeige als "unbegründet" herausstellte – in manchen Bezirken lag die Quote aber deutlich höher. Als die Frauen von der Zeitung kontaktiert wurden, gaben viele von ihnen zu, dass sie gelogen hatten. Dafür nannten sie eine ganze Reihe an Gründen: Zwanzig Prozent logen, weil sie auf einen Ex-Freund wütend waren und sich an ihm rächen wollten. (Eugene Kanin gibt in seiner Studie als weiteres Motiv Rache für eine erlittene Abfuhr an.) Weitere zwanzig Prozent wollten damit eigene Schuld- und Schamgefühle kompensieren oder im Bekanntenkreis nicht als leicht zu haben gelten. Dreizehn Prozent befürchteten, schwanger zu sein, oder waren es tatsächlich und mussten eine Abtreibung rechtfertigen.

(...) Die enorme Bandbreite der von Fachleuten genannten Häufigkeit an Falschbeschuldigungen ist frappierend. So präsentierte der Sozialwissenschaftler Philip Rumney in der Zeitschrift "Cambridge Law Journal" eine Auflistung von Studien, die zwischen 1,5 Prozent und 90 Prozent an Falschbeschuldigungen ermittelten.

(...) Fest steht: Es gibt es zu viele Polizisten und zu viele Wissenschaftler, die von deutlich höheren Zahlen als jenen sprechen, die in der feministischen Propaganda verbreitet werden. Allerdings gilt auch hier, wie so häufig: Männerrechtler sollten nicht das entgegengesetzte Extrem wählen und nur die Forschungen im Munde führen, die zu den Extremwerten von 80 oder gar 90 Prozent gelangten. Eine radikale Strömung in der Geschlechterpolitik braucht nicht durch eine ebenso radikale Gegenströmung konterkariert zu werden. Notwendig ist aber öffentliches Bewusstsein dafür, dass die Rate an Falschbeschuldigungen etlichen Experten zufolge keineswegs so absurd niedrig ist, wie uns viele Feministinnen glauben machen wollen – und dass die Konsequenzen solcher Lügen für die betroffenen Männer erheblich sind.


Um diese Konsequenzen geht es. In der Regel handelt es sich, das hat auch die Studie des Bayrischen LKA ergeben, um massive Traumatisierungen. Wenn Ilse Lenz die Unzahl der Studien und Meta-Studien, die ich in meinem Artikel nicht nur zitiert, sondern stichpunktmäßig auch direkt verlinkt habe, schlicht unerwähnt lässt und so tut, als würde ich unseriöserweise nur einen einzigen Satz aus der breiten Forschungsliteratur herausgreifen, dann manipuliert sie ihre Leser auf eine Weise, die nahelegt, dass diese Traumatisierungen und ihre Häufigkeit weiterhin ein Tabuthema bleiben sollen. Das ist infam.

Aber natürlich gibt es auch bei diesem schmutzigen Artikel einen Silberstreifen: Bei den Feministinnen der "taz" liegen die Nerven inzwischen offenkundig reichlich blank, wenn sie nach Thomas Gesterkamp und Simone Schmollack jetzt in so schneller Folge bereits eine weitere Mitarbeiterin mit derartigen Böllern auf die neue Bürgerbewegung der Männer schießen lässt. Der feministische Monolog der letzten vier Jahrzehnte ist zuende. Ilse Lenz mag so selektiv zitieren wie sie kann – auch Falschbeschuldigungen bei sexueller Gewalt sind kein Tabuthema mehr.

Zum Schluss ihres Beitrages wird Ilse Lenz sogar unfrewillig komisch. Dort vertritt sie nämlich die These, dass "das neue Bild des Mannes als Opfer tendenziell frauenfeindlich" sei – und männerfeindlich noch dazu, da es "auf eine Homogenisierung und Entmündigung aller Männer" hinauslaufe. Konsequent zuende gedacht bedeutet dieser Satz nichts anderes als ein stillschweigendes Eingeständnis, dass das in den letzten Jahrzehnten durch sämtliche Medien gepeitschte Bild der Frau als Opfer männer- und frauenfeindlich zugleich ist: aus den von Ilse Lenz genannten Gründen.

Wer nur den Artikel von Lenz und der anderen Autoren liest, bekommt von den Akteuren der Männerbewegung natürlich einen schlechten Eindruck. Wer die Beiträge beider Seiten liest, dürfte sich von den Praktiken der feministischen Liga indes bald angewidert abwenden. Die "taz" setzt offenkundig darauf, dass aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Auflage der Verbreitungsgrad ihrer irreführenden Artikel noch um einiges größer ist als der Verbreitungsgrad der feminismuskritischen Gegenrede. Im Zeitalter des Internets könnte sie sich täuschen.

Zum Weiterlesen bei diesem Thema: LKA Niederösterreich: "Vier von fünf Anzeigen sind erfunden" sowie den Leserbrief eines Juristen.

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