11. Februar 2006
Heute gibt es in meiner fast täglichen Presseschau zur Karikaturen-Debatte nur einen einzigen Beitrag, aber er ist so gelungen, dass ich damit das Thema für dieses Blog gerne abschließen würde. Er stammt von der türkischen Autorin und Soziologin Elif Shafak, findet sich in der heutigen “Welt” und wendet sich gegen die Anheizer beider Seiten, also die zu Aufruhr anstachelnden Demagogen in der muslimischen Welt und die ressentimentgeladenen, islamfeindlichen Hetzer und Provokateure unter anderem in der hiesigen Bloggerszene gleichermaßen.
Ein Auszug: „Die zwei Parteien des Karikaturenstreits scheinen verschiedene Sprachen zu sprechen, aber im Grunde sprechen sie dieselbe Sprache: Es ist die Hassrede. Eine Karikatur, die den Propheten Mohammed mit einem bombenförmigen Turban zeigt, ist Hassrede. Ein moslemischer Demonstrant, der ein Schild trägt mit der Aufschrift `Köpft jene, die den Islam beleidigen´, verbreitet Hassrede. In einer Welt, die sich immer stärker polarisiert, muss Hassrede kritisiert und unter Kontrolle gehalten werden. (…) Um den Karikaturenstreit zu schlichten, ist es von grundlegender Bedeutung, das Problem nicht von einem der Enden, sondern von der Brücke aus zu betrachten. Wir müssen die Empfindlichkeit der Moslems und die Prinzipien der westlichen Demokratie gleichermaßen berücksichtigen. Wir brauchen eine Herangehensweise, die sich mit beiden Positionen auskennt. Innerhalb dieses zerbrechlichen Gefüges müssen wir uns unbedingt daran erinnern, dass der Islam und die westliche Welt nebeneinander existieren können. Beide sind unauflösbar miteinander verbunden und voneinander abhängig. Wir brauchen viel mehr Mischformen - hybride und friedliche und demokratische Kulturen, die Elemente beider Seiten vereinigen. Wir brauchen viel mehr Moslems, die ihren Glauben an die Demokratie zum Ausdruck bringen und jene Moslems kritisieren, die mit Hassreden auf Menschen im Westen reagieren. Wir brauchen viel mehr Menschen im Westen, die ihrer Sympathie mit moslemischen Kulturen Ausdruck verleihen und jene Kräfte im Westen kritisieren, die mit Hassreden auf Moslems reagieren. Wir müssen auf die Stimme der Brücke hören. Wir müssen die Brücke _sein_.“
Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.
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