Donnerstag, Februar 09, 2006

9. Februar 2006

Und wieder einmal eine kleine Presseschau.

Telepolis berichtet in deutlichen Worten vom anhaltenden moralischen Verfall des Hauses Springer: „Es sind die Hurenböcke in der BILD-Redaktion, für die sich Deutschland schämen müsste.“ Und Daniel Cohn-Bendit nimmt in einem Interview mit der “taz” Springers “Welt” ihre momentane Selbstinszenierung nicht ab: „Dieses ganze Sich-in-die-Brust-Werfen für Meinungsfreiheit hat bei uns einen strengen heuchlerischen Geruch.“

In der “Berliner Zeitung” von heute warnt Harald Jähner vor Trugbildern: „Ein islamischer Geistlicher steht mit ausgebreiteten Armen vor der brennenden dänischen Botschaft in Beirut. Die Hände erscheinen im Schattenriss wie die von Nosferatu, dramatisch weht der schwarze Bart. Das Bild wurde im gestern erschienenen `Stern´ mit der Unterzeile versehen: `Geistlicher heizt die Stimmung aufgebrachter Gläubiger in der libanesischen Hauptstadt an.´ Andere Blätter, auch diese Zeitung und die Agentur AFP, schrieben dagegen: `Muslimischer Geistlicher beschwichtigt Protestierer.´ Was stimmt denn nun? Ein halbes Dutzend Worte verändern die Stimmung, in denen uns im Moment die Weltlage erscheint. (…) Die Bilder von den hasserfüllten Menschen verraten nicht, wie repräsentativ sie für den kulturellen Raum sind, aus dem sie kommen. Man sieht nicht einmal, wie klein der Mob ist, der vor westlichen Botschaften randaliert. Man sieht eine den engen Bildrahmen sprengende Menge wütender Menschen. Der Ausschnitt suggeriert, dass die Menge schier endlos ist. Man kennt das Phänomen vom 1. Mai in Kreuzberg: Drei brennende Autos auf dem Mariannenplatz, zwei Schnitte in eine aufgebrachte Menge, und schon entsteht der Eindruck, eine Stadt versinke im Chaos.“

Das ist eine durchaus kluge Mahnung vor allzu vorschnellen ersten Eindrücken auf der Basis persönlicher Vorurteile. Da ist es dann leider um so pikanter, wenn die „Berliner Zeitung“ in derselben Ausgabe grob fahrlässig mein Buch „Warum Hohmann geht und Friedman bleibt“ in eine Reihe angeblich „revisionistischer und antisemitischer Bücher“ einordnet. Natürlich fehlt für diesen Vorwurf jede Begründung, und es erscheint mir fraglich, ob der betreffende Redakteur auch nur eine Seite des Buches gelesen hat. (Die anderen Bewertungen der „Berliner Zeitung“ in diesem Absatz sind nicht weniger abenteuerlich. Ist es jetzt schon unanständig, wenn Zeitzeugen von den letzten Kriegswochen an der Front berichten oder eine mögliche Ursache für Hitlers Rassenwahn analysiert wird? Seltsam.) Jedenfalls wissen wir jetzt, von welcher Seite man im Kampf um die Pressefreiheit eher keine Unterstützung erhält.

Glücklicherweise gibt es noch einen Rest von Leuten, die Bücher auch lesen, bevor sie sich dazu äußern. So ging gerade eine neue Rezension zu meinem Kurzgeschichtenband „Wachs in deiner Hand“ online. Da Sie zum Betreten dieser Website ein Password benötigen, kopiere ich die Besprechung der Einfachheit halber mal hier hinein:

--- Wachs in Deiner Hand

Cagliostro hat wieder zugeschlagen. Hinter dem wohlbekannten Namen verbirgt sich der inzwischen mit Preisen dekorierte Schriftsteller Arne Hoffmann, der sich inzwischen zwar nicht mehr gezwungen sieht, seinen Namen zu verheimlichen, das bekannte Pseudonym dennoch für seine SM-Texte weiter verwendet.

Cagliostro - das verspricht nicht-alltägliche Texte mit viel SM, viel Witz und so manches mal einen Ausritt in die Welten jenseits der Tabugrenze. So ist auch „Wachs in Deiner Hand“ wieder ein Lesegenuss für alle, die sich selbst nicht zu ernst nehmen und den Unterschied zwischen Kopfkino und Realität durchaus mental verarbeiten können.

Acht Kurzgeschichten entführen uns in Abenteuer, die wir vermutlich nicht wirklich erleben möchten, die aber durchaus an Geilheit einiges zu bieten haben. Teilweise scheint der Autor gar mit seinen Lesern zu spielen, bringt Einwürfe wie ein Schauspieler, der sein Publikum urplötzlich in das Lesegeschehen integriert.

Ein erfrischendes Buch, das sich ganz bewusst nicht an SSC-Korsett klammert. Durch die plastische Darstellung bekommt man das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen, und wenn man denkt, weiter könne man die Spannungsspirale nicht mehr heraufschrauben ... weit gefehlt, ein wenig geht immer noch.

Dieses Buch gehört unbedingt in das Bücherregal, das die Erbtante nicht sehen darf. ---